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Linkspartei – Für eine Linke mit Plan

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Linkspartei – Für eine Linke mit Plan

Mitarbeiter einer Brikettfabrik in Osendorf bekamen ihren Planerfüllungsstand im volkseigenen DDR-Betrieb regelmäßig weiß auf schwarz präsentiert.

Foto: imago/Kai Bienert

Der Kapitalismus muss überwunden werden, da sind sich viele Linke einig. Doch welche konkrete ökonomische Alternative können wir als Sozialist*innen anbieten, die der Komplexität moderner Gesellschaften gerecht wird? Seit einiger Zeit diskutieren linke Gruppen und Akteure diese Frage und entdecken Stück für Stück eine vermeintlich angestaubte Idee wieder: die demokratisch-sozialistische Wirtschaftsplanung.

Ökonomische Planung drängt sich angesichts der Reichweite der kapitalistischen Krisen auf. Das globale Ausmaß und die existenzielle Dimension der ökologischen Krise verlangen nach einem alternativen Mechanismus der ökonomischen Koordination. Die Idee der demokratischen Wirtschaftsplanung markiert die Suchbewegung nach einer solchen Form der Koordination, die Unsicherheit nicht individualisiert und mehr Gestaltungsmöglichkeiten für alle bereithält als eine marktbasierte Wirtschaft.

Bereits in der heutigen Marktwirtschaft wird umfänglich geplant, jedoch unter kapitalistischen Vorzeichen. Unternehmen nutzen aufwendige Planungsinfrastrukturen, um interne Risiken zu reduzieren. Und auch Staaten müssen fortwährend planen, um die Bedingungen neoliberal-kapitalistischen Wirtschaftens herzustellen. Daran zeigt sich, dass die Dichotomie von Markt und Plan Ideologie ist.

Die multiplen Krisen unserer Zeit erfordern einen grundlegenden Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft, doch dieser kann und wird unter kapitalistischen Vorzeichen, mit atomistischer Wirtschaftskonkurrenz und Profitzwang, nicht gelingen. Statt den CO2-Ausstoß und die drastische Zerstörung von Ressourcen und Biodiversität zu reduzieren, wird an alten Produktionsmodellen festgehalten. Soziale und ökologische Kosten werden in großem Stil und im globalen Maßstab externalisiert. Die kapitalistische Produktionsweise verschärft die ökologische Krise sowie die Krise der sozialen Reproduktion, sie befeuert soziale Ungleichheit, Nationalismus und Rassismus. Kurzum: Sie untergräbt unsere Lebensgrundlagen und die Demokratie.

Im Zuge einer eskalierenden Klima- und Biodiversitätskrise, wachsender geopolitischer Spannungen sowie entfesselter Finanzmärkte werden wir auch hierzulande mit Wirtschafts- und Finanzkrisen, Preisschocks und Einkommensverlusten sowie mit zunehmendem Wassermangel und Extremwetterereignissen konfrontiert sein. Allein aus diesen Gründen werden vorausschauend geplante und sozial gerechte Präventions- oder Nothilfemaßnahmen jenseits dysfunktionaler Marktsteuerung für das gesellschaftliche Überleben immer wichtiger – und für viele Menschen auch plausibler.

Die Autorinnen und Autoren

Rabea Berfelde ist Postdoc-Fellow am Centre for Social Critique der Humboldt-Universität Berlin. Justus Henze ist in der Berliner Mietenbewegung aktiv und Referent für Vergesellschaftung im Energiesektor beim Projekt Communia. Samia Mohammed ist Politikwissenschaftlerin an der Universität Bremen. Eva Völpel arbeitet am Institut für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung als Referentin für Wirtschaftspolitik. Ihr hier veröffentlichter Text ist die gekürzte Fassung eines Beitrags, der vor dem Amtsantritt von US-Präsident Trump und vor der Bundestagswahl in der Zeitschrift »Luxemburg« der Rosa-Luxemburg-Stiftung erschien.
Zum Weiterlesen: zeitschrift-luxemburg.de

  • Rabea Berfelde ist Postdoc-Fellow am Centre for Social Critique der Humboldt-Universität Berlin.
  • Justus Henze ist in der Berliner Mietenbewegung aktiv und Referent für Vergesellschaftung im Energiesektor beim Projekt Communia.
  • Samia Mohammed ist Politikwissenschaftlerin an der Universität Bremen.
  • Eva Völpel arbeitet am Institut für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung als Referentin für Wirtschaftspolitik.
    • Ihr hier veröffentlichter Text ist die gekürzte Fassung eines Beitrags, der vor dem Amtsantritt von US-Präsident Trump und vor der Bundestagswahl in der Zeitschrift »Luxemburg« der Rosa-Luxemburg-Stiftung erschien.
      Zum Weiterlesen: zeitschrift-luxemburg.de

Zugleich erleben wir, wie im Zuge zunehmender geopolitischer Konfrontationen und weltwirtschaftlicher Konkurrenz staatliche Planung und Steuerung verstärkt auf die politische Agenda kommen. Die USA setzten – zumindest unter Präsident Biden – in der Konkurrenz mit dem staatskapitalistischen China auf weitreichende Markinterventionen für den Auf- und Ausbau strategisch bedeutsamer Industrien und Infrastrukturen. Gezielte staatliche Interventionen und Planung gelangen zur Anwendung, um die ökonomische Hegemonie des kapitalistischen Westens zu stabilisieren. Mit der möglichen Herausbildung eines grünen Kapitalismus als neuem Akkumulationsregime werden diese Politiken zunehmen, ökonomische Planung innerhalb des Kapitalismus wird voraussichtlich an Bedeutung gewinnen.

Kapitalismus ist Markt, alles andere ist Planung – dieses hartnäckige Vorurteil ist schon lange nicht mehr haltbar. Staatliche Interventionspolitiken im Kapitalismus sind jedoch kein positiver Bezugsrahmen für einen sozialistischen Begriff von Steuerung, Regulation und vor allem Wirtschaftsplanung. Sie können aber Räume öffnen, in denen diese Ansätze wieder denk- und sprechbar werden und die mächtige Chiffre von der Überlegenheit der unsichtbaren Hand des Marktes ins Wanken bringen.

Wenn wir sozialistische Planwirtschaftsdebatten wieder aufgreifen und ihr Potenzial für eine freiere und gleichere Zukunft für alle freilegen, sollten wir über eine reine Machbarkeitsdiskussion hinausgehen: Zwar müssen wir auch heute beantworten, inwieweit eine funktionsfähige Wirtschaftsweise ohne Markt und Preissignal denk- und umsetzbar wäre. Darüber hinaus müssen wir jedoch die politischen Modalitäten und Bedingungen ökonomischer Planung in den Blick nehmen.

Denn angesichts gegenwärtiger Planungspraxen erscheint diese Form der Koordination keineswegs als ein Schritt in eine sozialistische Zukunft: Kapitalistische Planung, ob von staatlicher oder privatwirtschaftlicher Seite, ist heute top-down organisiert und dem Zweck der Profitmaximierung und Kapitalakkumulation unterworfen. Von welcher Form der Planung sprechen wir also, wenn wir uns positiv auf Wirtschaftsplanung beziehen und konkrete Vorschläge dafür entwickeln?

Wohin geht die neue Linke?

dpa/Robert Michael

Die Linkspartei ist nicht mehr die, die sie noch im vergangenen Jahr war. Von den nun über 100.000 Mitgliedern kam die Hälfte im letzten halben Jahr dazu. Wie stellt sich diese neue Linke gegen den politischen Rechtsruck? Wie setzt sie sich mit neuen gesellschaftlichen Konflikten auseinander? Fragen, denen wir in der Serie »Wohin geht die neue Linke?« nachgehen.

In der Planungsdebatte kristallisieren sich aus unserer Sicht vor allem zwei Elemente heraus, die einen emanzipatorischen Planungsbegriff kennzeichnen. Sie ermöglichen eine kritische Auseinandersetzung mit den autoritären Formen der Wirtschaftsplanung im Realsozialismus und grenzen sich von technokratischer Planung ebenso ab wie von einer im Sinne des Kapitals mobilisierten Planung.

1. Linke Wirtschaftsplanung muss in radikaler Weise demokratisch sein und auf einer substanziellen Form kollektiver demokratischer Gestaltung der Ökonomie beruhen. Die Planungsdebatte von reinen Machbarkeitsspekulationen zu lösen, trägt bereits zu ihrer Politisierung bei. Wenn wir die Frage nach den Subjekten der Planung – also: Wer plant? – ins Zentrum stellen, kann diskutiert werden, wie eine umfängliche Partizipation und demokratische Kontrolle auf unterschiedlichen Ebenen der Ökonomie aussehen müssten.

2. Linke Wirtschaftsplanung muss in sozialistischer Tradition stehen. Denn die Demokratisierung des Planungsprozesses muss zwingend verbunden sein mit der Frage nach der Verfügungsmacht über gesellschaftliche Produktionsmittel, also: Wer verfügt darüber? Wem gehören sie? Der wirtschaftliche Koordinationsmechanismus und die Eigentumsverhältnisse bedingen sich schließlich gegenseitig, das Privateigentum an Produktionsmitteln verhindert eine effektive, demokratische Wirtschaftsplanung im Einklang mit den Bedürfnissen aller. Hier zeigt sich eine Verbindung zur wiederbelebten Debatte um demokratische Wirtschaftsplanung und zu den gegenwärtigen Auseinandersetzungen um Vergesellschaftung, denen es um die kollektive Aneignung von Infrastrukturen wie Wohnraum, Energie und öffentlicher Daseinsvorsorge geht – mit dem Ziel, sie dem Profitzwang zu entziehen und künftig gemeinwohlorientiert zu bewirtschaften.

Diese Beispiele zeigen bereits, dass ein substanziell sozialistischer und demokratischer Planungsbegriff heute die historische Verengung der Vergesellschaftung auf Betriebe und Sektoren der Industrieproduktion aufbrechen kann. Eine emanzipatorische Wirtschaftsplanung kann die kapitalistische Trennung der Sphären von Produktion und Reproduktion und die damit zusammenhängende patriarchale Arbeitsteilung sowie Geschlechterordnung infrage stellen. Denn das Ziel ist die kollektive Reproduktion und ein gutes Leben für alle. Unter demokratischer Wirtschaftsplanung verstehen wir daher nicht nur die Ausweitung der Demokratie auf den Bereich der Produktion, sondern auch die kollektive Gestaltung der Infrastrukturen der Sorge, ihre demokratische Umgestaltung sowie die Umverteilung der darin anfallenden Arbeitslasten.

Das globale Ausmaß und die existenzielle Dimension der ökologischen Krise verlangen nach einem alternativen Mechanismus der ökonomischen Koordination.

Einem progressiven Begriff von Planung und den mit ihm verbundenen Forderungen geht es also ums Ganze, um eine umfassende Umwälzung der Verhältnisse. Dieser Horizont ist wichtig, damit wir in unserer Analyse und Politik im Hier und Jetzt an konkreten Projekten und Handlungsoptionen ansetzen können, ohne in die Falle des Reformismus zu tappen. Einen dezidiert demokratischen und sozialistischen Planungsbegriff zu entwickeln, erscheint uns als notwendige Vor- und beständige Begleitarbeit, um die aktuelle Auseinandersetzung um demokratische Wirtschaftsplanung voranzubringen. Gleichzeitig ist innerhalb dieser Leitplanken viel Platz für Streit und eine genauere Ausgestaltung dessen, was emanzipatorische Planung heißen könnte.

Wir wollen die Debatte um ökonomische Planung und sozialistische Ökonomie auch deshalb stärken, weil wir meinen, dass die ökonomischen Forderungen der gesellschaftlichen Linken in den letzten Jahren (oder gar Jahrzehnten) eklatante programmatische Leerstellen aufwiesen. Im Zuge des Zusammenbruchs des Realsozialismus und der Verfestigung des Neoliberalismus haben sich viele Linke im Parlament und in Bewegungen entweder auf die Kritik der politischen Ökonomie zurückgezogen oder sich einem reformistischen Links-Keynesianismus verschrieben, mit etwas mehr expansiver Fiskalpolitik hier und ein bisschen stärkerer Umverteilung dort. Teilweise strickte die Linkspartei in Landesparlamenten und -regierungen sogar aktiv an Privatisierungen oder Politiken zur Stärkung des deutschen Wirtschaftsstandorts mit. Die Lösung der Krise linker Wirtschaftspolitik kann augenscheinlich nicht darin bestehen, einfach eine noch »bessere« bürgerliche Ökonomie auszuarbeiten – sonst handelt es sich nicht um sozialistische, sondern sozialdemokratische Politik, die erfolglos versucht, die Verwerfungen der kapitalistischen Akkumulation abzumildern.

Aber auch die gesellschaftliche Linke, die nicht in Parteien organisiert ist, verharrt in der Anklage dessen, wogegen sie kämpft und was abgeschafft werden muss, anstatt sich gemeinsam vorzustellen, was an die Stelle des Kapitalismus treten könnte. Es ist der Nachhall des weit verbreiteten »Bilderverbots« in der kritischen Sozialwissenschaft, also des Dogmas, keine utopischen Gegenbilder zum Kapitalismus zu zeichnen. Dies hat nicht nur verhindert, gemeinsam konkrete Utopien zu entwickeln, sondern auch eine Orientierungs- und Strategielosigkeit in Bewegungen und Kämpfen nach sich gezogen. Ein überzeugendes sozialistisches Wirtschaftskonzept, das die gesellschaftliche Linke in einen klaren Antagonismus zu den herrschenden Verhältnissen stellt und über den Kapitalismus hinausweist, fehlt also. Wir glauben, dass die Kombination von Vergesellschaftung und demokratischer Planung den Kompass für ein antikapitalistisches Gegenprojekt und damit für eine sozialistische Ökonomie liefern kann. Die Zeit dafür ist reif.

Ein zeitgemäßes Verständnis von Wirtschaftsplanung müsste diese konkrete Zukunftsvision mit Antworten darauf verbinden, wie und warum sich das alltägliche Leben der heterogenen Arbeiter*innenklasse dadurch verbessern würde: ihre Arbeitsbedingungen, ihre Gesundheits-, Wohnungs- und Energieversorgung, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie etc. Es geht um ein linkes Verständnis von Bedürfnissen und Bedürfnisbefriedigung, das nicht nur auf die Warenproduktion fokussiert und das planetare Grenzen anerkennt.

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Bald auch in Hamburg: Irrer Hype um den Laden „Cookie Couture“

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Bald auch in Hamburg: Irrer Hype um den Laden „Cookie Couture“

Sie nehmen stundenlange Fahrten auf sich und warten in 50 Meter langen Schlangen – um in einen Keks zu beißen. Der Laden „Cookie Couture“, bisher in Köln und Stuttgart, macht die Influencer verrückt! Am Samstag eröffnet nun auch eine Filiale in Hamburg. Und wieder sollen diverse Influencer-Promis kommen! Was die handtellergroßen Kekse so besonders macht und was die Kunden in der Hansestadt erwartet: Die MOPO hat mit dem Gründer gesprochen.

Riesige, noch warme Kekse. Sie werden bei „Cookie Couture“ vor den Augen der Kunden garniert. Mit verschiedenen kalten Cremes, mit Goldstaub, Kornblumen, Brezelchen oder frischen Früchten. „Unsere Kekse sind sehr ‚instagrammable‘“, sagt Gründer Kilian Wisskirchen zur MOPO. Und meint: Influencer reißen sich darum, Geschmackstest-Videos mit den Keksen bei Social Media zu posten. „Sie filmen auch gerne, wie ihr Cookie hier frisch dekoriert wird“, so Wisskirchen. Einige seien dafür schon extra von Hamburg nach Köln gereist. Mehr als 30 Millionen Views haben die Keks-Videos bei TikTok schon erreicht. Die lange Reise braucht es nun aber nicht mehr für Hamburger Keks-Fans.

Immer samstags würden sich vor den Läden in Köln und Stuttgart mindestens 50 Meter lange Schlangen bilden. „Dann müssen wir leider auch Leute wieder nach Hause schicken. Die Nachfrage ist zu groß. Samstags läuft der Ofen durch.“ Da passt es doch zum (gewollten?) Hype, dass der Laden in Hamburg auch an einem Samstag eröffnet wird. Am 14. Juni ab 13 Uhr geht es los in der Filiale im „Westfield“ im Überseequartier. Die ersten 100 Cookies sind gratis. Ob wohl auch wieder ein paar bekannte Influencer kommen? Beim „Soft Opening“ (also eine nicht öffentliche Eröffnung für Ausgewählte quasi) war zumindest schonmal der Hamburger Food-Influencer Konstantin Hilbert da, der auch ein Video von seinem Besuch machte:

Die Idee für den Cookie-Laden hatten der 29-jährige Kilian Wisskirchen und seine zwei Mitgründer übrigens auf Reisen in die USA. „Dort haben wir Cookies kennengelernt, die innen ganz weich und außen schön knusprig sind“, sagt er. Diese Konsistenz hätten sie mit gutem deutschen Backhandwerk („keine Zusatzstoffe“) und französischer Patisserie (hübsche Deko) verbunden. Alle Cookies werden frisch vor Ort im Laden gebacken.

Und das Start-up aus Köln läuft bestens: 15 weitere Läden sollen in Deutschland noch in diesem Jahr eröffnen. Der im Westfield ist also nur der Anfang. Alle Cookies gibt es auch dort nur zum Mitnehmen.

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Bestseller sei der „Raspberry White Chocolate“-Cookie mit einem Vanille-Frosting, weißer Schokolade, Himbeerpüree und frischen Himbeeren. Aber auch der vegane „Spekulatius“-Keks mit „Lotus“-Krümeln sei der Renner. Kleine Cookies sind ab 2,90 Euro zu haben, große ab 3,90 Euro. Und natürlich gibt es auch einen „Dubai Style Choc“ mit Pistaziencreme und Kadayif. „Instagrammable“, eben.

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Aplerbecker Schlossfehde: Mittelalterspektakel mit freiem Eintritt

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Aplerbecker Schlossfehde: Mittelalterspektakel mit freiem Eintritt

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Rotes Dreieck – Antimilitaristische Botschaft als Hamas-Symbol fehlgedeutet

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Rotes Dreieck – Antimilitaristische Botschaft als Hamas-Symbol fehlgedeutet

Ein rotes Dreieck, das gewiss kein antisemitisches Symbol ist: Der jüdische Widerstandskämpfer Philip Bialowitz im Jahr 2013 vor einer VVN-BdA-Fahne

Foto: dpa/Rainer Jensen

Am 12. Januar hat Bernd Trete aus Potsdam an der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration zur Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde teilgenommen. Trete ist Mitglied bei Mera 25. Diese Partei ist der deutsche Ableger der europäischen Bewegung Diem 25, die 2016 von dem ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis und dem kroatischen Philosophen Srećko Horvat gegründet wurde. Mera 25 gibt es seit 2021. Es handelt sich nach eigener Darstellung um eine progressive linke Partei, die sich für Frieden, Solidarität und Freiheit einsetzt.

Frieden ist Bernd Trete, der mit einer Mera-25-Fahne zur Demonstration ging, auch persönlich ein wichtiges Anliegen. Deswegen ermittelt nun aber die Polizei gegen den 66-Jährigen, weil er das Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation verwendet haben soll.

Denn Trete lief am 12. Januar auf Höhe des Blocks der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und wurde auf ein Transparent von deren Jugendorganisation SDAJ aufmerksam. Es zeigte ein Gewehr, entzwei gebrochen durch einen roten Keil, dazu eine geballte Faust und den antimilitaristischen Slogan »Wir sind die Jugend des Hochverrats! Wir sterben nicht für eure Kriege!« Das bezieht sich eindeutig auf den Reichstagsabgeordneten Karl Liebknecht, der 1916 als Hochverräter behandelt und zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, weil er mitten im Ersten Weltkrieg auf einer Friedensdemonstration ausgerufen hatte: »Nieder mit dem Krieg! Nieder mit der Regierung!«

Ein Foto des SDAJ-Transparents lud Trete später auf seinem Profil bei der Internetplattform X hoch. Nun teilt ihm die Polizeidirektion West mit Schreiben vom 3. Juni mit: »Bernd Trete verwendete am 13. April 2025 ein Bild des Banners der SDAJ mit einem nach unten gerichteten Dreieck (Symbol der Hamas). Nach hiesiger Einschätzung könnte das Zeigen von Symbolen der Hamas den Straftatbestand des § 86a Strafgesetzbuch (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) erfüllen.« Das Strafgesetzbuch sieht für ein solches Vergehen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor. Dem 66-Jährigen liegt es aber fern, Propaganda für die palästinensische Hamas zu machen, die weder demokratisch noch friedliebend ist, sondern ihre islamistischen Ziele mit Terror durchzusetzen trachtet.

Trete betont: »Ein Symbol der Hamas habe ich nicht verwendet.« Schon allein, weil die Hamas ein gleichseitiges Dreieck zeige, das von der SDAJ jedoch ein gleichschenkliges sei. Die Verwendung eines Keils, der ein Sturmgewehr zerbreche, deute darauf hin, »dass Kriegswaffen zerstört werden sollen und dass sich Menschen – insbesondere Menschen, die zur Jugend zählen – dem vorsätzlichen Töten verweigern sollen«, äußert Trete. Er sieht in dem Symbol eine Antikriegsbotschaft »im Gegensatz zur, wie ich es empfinde, allgemeinen Kriegshysterie« in der Bundesrepublik.

Was Trete hier erleben muss, ist kein Einzelfall. Immer wieder glauben Polizisten, in beliebigen roten Dreiecken ein Symbol der Hamas zu erkennen, obwohl aus dem Kontext ersichtlich sein müsste, dass dies nur ein großes Missverständnis sein kann. Im Juli 2024 hatte die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes VVN-BdA klargestellt, dass die SS politische KZ-Häftlinge mit einem roten Dreieck kennzeichnete. »Nach der Befreiung von der nationalsozialistischen Terrorherrschaft machten es die befreiten KZ-Häftlinge und Verfolgten zu ihrem Symbol und demonstrierten damit ihren Widerstand.« Die VVN-BdA fragte: »Sollen tatsächlich Gedenkstätten, Grabsteine und Mahnmale, auf denen sich dieses rote Dreieck befindet, abgerissen oder verhängt werden? Darf die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes ihre Symbole nicht mehr zeigen, wenn sie gegen das Vergessen, gegen Faschismus oder Antisemitismus demonstriert?«

Eine andere, ebenfalls unsinnige Deutung erfuhr das Symbol der VVN-BdA am Tag des Sieges über den Hitlerfaschismus am 9. Mai in Berlin. Andreas Eichner vom Bündnis Sahra Wagenknecht musste am sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park sein Halstuch der VVN-BdA auf Verlangen der Polizei abnehmen. Das Halstuch ist blau-weiß gestreift wie die Kleidung der KZ-Häftlinge und in der Mitte prangt der rote Winkel für politische Gefangene. Eine Polizistin habe bei der Einlasskontrolle darauf beharrt, dass dies die Farben der russischen Flagge seien, erzählte Eichner. Weil russische Flaggen an jenem Tage verboten waren, habe er das Tuch abnehmen und einstecken müssen, um passieren zu dürfen.

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