Vor allem auf dem Land wird in Ostdeutschland künftig die Bevölkerung abnehmen. Der Leerstand an Wohnraum wird dadurch zunehmen.
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Die Wohnungsverbände der drei mitteldeutschen Länder prognostizieren, dass es in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt auf absehbare Zeit etwa eine halbe Million Wohnungen zu viel geben wird. Viele, die derzeit in Erfurt, Halle oder Meiningen eine Wohnung suchen, fragen sich, wie das angesichts der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt selbst in kleinen Städten sein kann. Müssen Sie nicht einräumen, dass Sie da ein bisschen Panikmache betrieben haben?
Schon heute stehen alleine in Thüringen etwa 20 000 Wohnungen leer, vor allem im ländlichen Raum. Die Zahl wird wegen des demografischen Wandels noch deutlich steigen. Bestimmt nicht in Erfurt, Weimar oder Jena, aber Thüringen hat bekanntlich sehr viel ländliche Räume. Deshalb, leider: Das war keine Panikmache, das wird die Realität. Diese 500 000 Wohnungen betreffen den Wohnungsmarkt insgesamt, ein nicht kleiner Teil dieses bald nicht mehr benötigten Wohnraums betrifft auch Ein- und Zweifamilienhäuser.
Dennoch klagen selbst Wohnungssuchende in Kleinstädten wie Sonneberg oder Altenburg inzwischen regelmäßig darüber, dass sie keinen für sie passenden, bezahlbaren Wohnraum finden.
Das hat viel damit zu tun, dass Wohnungssuchende für sich die Wohnungen ausschließen, die leer stehen. Wir reden da von oft unsanierten DDR-Plattenbauten, die in den 1970er oder 1980er Jahren gebaut worden sind. Die Wohnungen dort sind oft vergleichsweise klein, haben keinen Aufzug, manchmal auch keinen Balkon. Viele Menschen suchen heute andere Wohnungen, die dann aber eben auch einen anderen Preis haben. Da laufen Vorstellungen und Möglichkeiten schnell auseinander. Das, was da noch zu bezahlbaren Preisen auf dem Markt ist, kommt für viele Menschen schon wegen der Grundrisse nicht mehr infrage.
Sie sprechen also von mehreren Strukturproblemen, die sich überlagern, oder? Viele Wohnungen, die es gibt, will niemand mehr haben, während die Bevölkerung in Thüringen schrumpft, im Durchschnitt älter wird und auch deshalb mehr andere Wohnungen braucht.
Genau.
Und wie kommen wir aus diesen Problemlagen raus?
Schwierig.
Weil die Erfahrungen etwa vom Arbeitsmarkt zeigen, dass sich manche Strukturprobleme niemals so richtig lösen lassen werden? Immerhin finden allein in Thüringen seit Jahren Zehntausende einfach keinen Job, obwohl an allen Stellen händeringend Personal gesucht wird und es unzählige Unterstützungsangebote für sie gibt.
Ein bisschen wird das auf dem Wohnungsmarkt auch so sein. Es wird auch in Zukunft einen Teil von Wohnungssuchenden geben, die nicht die Wohnung finden werden, die sie gerne hätten, während es Leerstand geben wird, weil sich für bestimmte Wohnungen einfach keine Mieter mehr finden lassen. Wie auf dem Arbeitsmarkt wird es ein strukturelles Defizit zwischen Angebot und Nachfrage geben. Aber wir haben trotzdem ein Mittel, um das Defizit kleinzuhalten.
Welches?
Rückbau. Oder, wenn Sie das Wort hören wollen: Abriss. Wir in Thüringen haben seit Anfang der 2000er Jahre bereits gut 40 000 Wohnungen abgerissen, und aus heutiger Sicht werden wir weitere etwa 10 000 abreißen müssen, allein bis Anfang der 2030er Jahre. Und danach kommen Zehntausende weitere Wohnungen dazu, die wir werden zurückbauen müssen, wenn wir davon ausgehen, dass bis 2045 in Mitteldeutschland etwa eine halbe Million Wohnungen zu viel da sein werden. Die Bevölkerungsprognose bis 2045 ist für Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt eben eindeutig. Wir werden diesen Trend zum Schrumpfen nicht aufhalten können.
Insbesondere Plattenbauten aus der DDR-Zeit droht der Abriss. Aber nicht nur. Frank Emrich befürchtet, dass selbst Einfamilienhäuser künftig nicht mehr benötigt werden.
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Das heißt, dass sich der Abriss von Wohnungen in einigen Jahren massiv beschleunigen wird?
Das muss so sein, ja. Aber das betrifft nicht nur kommunale oder genossenschaftliche Wohnungsgesellschaften. Da werden auch viele Ein- und Zweifamilienhäuser fallen, was gerade auf Dörfer und ganz kleine Städte einen massiven Druck ausüben wird. In den 1990er und 2000er Jahren sind dort nämlich die Ränder neu besiedelt worden, durch Neubau, während viele Dorfkerne bereits auszusterben begannen und heute fast völlig verwaist sind. Bis 2045 werden aber auch diese Randgebiete zunehmend entvölkert werden, weil viele Menschen, die dort vor zwei oder drei Jahrzehnten hingezogen sind, älter werden und deshalb in Städte gehen werden, wo die ärztliche Versorgung besser ist, sie leicht einkaufen können und wo vielleicht sogar regelmäßig ein Bus fährt.
Aber für Wohnungsgesellschaften ist dieses Abrissszenario doch ein Problem: Sie vernichten einen Teil ihres Anlagevermögens, mit dem sie eigentlich Geld verdienen sollen.
Einerseits stimmt das, andererseits dürfen Sie nicht vergessen, dass auch leer stehende Wohnungen Geld kosten. Und das sind Kosten, die von den Mietern mitgetragen werden müssen, die in einem bestimmten Wohnquartier – also in der Nachbarschaft solcher Wohnungen – leben. Als Vermieter müssen Sie sich ja auch bei einer leer stehenden Wohnung um die Verkehrssicherung kümmern, die Leitungen instandhalten, die Außenanlagen pflegen. Das kostet viel Geld. Gerade als kleines Unternehmen können Sie sich also einen hohen Leerstand gar nicht leisten. Wir brauchen deshalb Abriss, auch, wenn es oft wehtut.
Schauen wir noch mal auf die Mieter. Es wird immer mehr ältere Menschen geben, die sich über möglichst barrierefreien Wohnraum freuen würden. Wird sich dieser Bedarf in den nächsten Jahren decken lassen?
Wir brauchen einen klugen Umbau der Wohnungsbestände, aber das bitte mit Augenmaß. Wenn wir nämlich über solchen Wohnraum sprechen, dann reden wir über barrierearme Wohnungen, nicht über barrierefreie. Für barrierefrei müssten wir die DIN 18040 beachten, die zum Beispiel einen Zugang zum Balkon ohne Stufe oder eine Mindestbreite für Türen von 1,10 Meter vorschreibt. Das ist in vielen schon gebauten Wohnungen gar nicht zu realisieren, schon wegen der Statik nicht. Und wenn wir über barrierearme Sanierungen sprechen, sollten wir das im Zuge einer Kernsanierung von Wohnungen machen. Auch dazu brauchen wir aber finanzielle Unterstützung, weil sonst die Mieten für solche Wohnungen deutlich steigen müssten, damit die Unternehmen diese Investitionen refinanzieren können. Das Land hatte dazu mal ein überaus erfolgreiches Förderprogramm, das allerdings eingestellt worden ist. Damit sind Hunderte von Aufzügen entstanden. Sowas brauchen wir unbedingt wieder.
Interview
Verband der Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft vtw
Frank Emrich vertritt als Direktor des Verbands der Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vtw) die Interessen von 190 Wohnungsunternehmen mit 265 000 Wohnungen im Freistaat.
Aber selbst wenn ein solches Programm käme: Wird es in Zukunft ausreichend altersgerechten Wohnraum geben?
Es gehört zur Wahrheit dazu, dass wir nicht für jeden Senioren eine altersgerechte Wohnung haben werden. Das ist aber nicht der einzige Engpass, auf den wir zulaufen. Wir merken zum Beispiel, dass es schon heute eine riesige Nachfrage nach Wohnungen gibt, bei denen Wohnungsunternehmen zum Beispiel in Zusammenarbeit mit der Sozialwirtschaft älteren Menschen bestimmte Service- und Unterstützungsleistungen mit anbieten, etwa beim Einkaufen. Da ziehen Menschen gern hin und sind auch bereit, eine Servicepauschale zu bezahlen. Wir können aber nicht allen Interessierten eine Wohnung mit einem solchen Serviceangebot anbieten.
Aber solche Angebote massiv auszubauen könnte doch ein Weg für Wohnungsunternehmen sein, sich neue Geschäftsfelder zu erschließen.
Es ist oft gar nicht so einfach, solche Angebote zu machen, weil Sie dafür die richtigen Partner finden müssen. Aber natürlich können sie den Kern unseres Geschäftsmodells stärken – und der ist: Menschen eine Wohnung zu bieten und dafür zu sorgen, dass sie möglichst lange bei uns wohnen. Davon haben alle etwas: wir als Unternehmen, die Mieter und die Gesellschaft. Wer länger in seinem vertrauten Zuhause wohnen kann und nicht mit 80plus nochmal umziehen muss, ist länger glücklich. Das entlastet die ja inzwischen auch oft überbelegten Pflegeheime. Und bringt uns stabile Mieteinnahmen. Allerdings werden wir uns gleichzeitig auf eine Situation einstellen müssen, in der Fluktuation eine größere Rolle spielt. Gerade jüngere Menschen wohnen heute mal drei Jahre hier, mal fünf Jahre dort. Wir dürfen uns als Genossenschaft, als kommunale Gesellschaft nicht mehr darauf einrichten, dass die Menschen regelmäßig 40 Jahre bei uns wohnen, sondern wir müssen vielleicht auch mehr möbliertes Wohnen und ähnliches anbieten.
Und was sagen Sie denen, die schon heute in einer Kleinstadt im ländlichen Raum eine bezahlbare Wohnung suchen und nichts finden?
Dass sie nicht nur auf den großen Portalen im Internet nach einer Wohnung suchen sollen, sondern auch auf den Webseiten der kommunalen oder genossenschaftlichen Unternehmen vor Ort – und dass es sich lohnt, dort einfach mal anzurufen oder in ein Servicebüro zu gehen. Außerdem würde ich ihnen dringend raten, sich intensiv mit dem Thema Nebenkosten auseinanderzusetzen. Wir erleben immer wieder, dass bei diesem Thema geschummelt wird. Da werden Anzeigen geschrieben, in denen 8,50 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter aufgerufen werden und Nebenkosten von insgesamt zwei Euro pro Quadratmeter angegeben werden. So was ist schlicht gelogen, das kriegt niemand mehr hin. Wir laufen auf eine Situation zu, in der die Nebenkosten bei ganz vielen Haushalten mindestens ebenso hoch ausfallen werden wie die Kaltmiete.
Sie nehmen stundenlange Fahrten auf sich und warten in 50 Meter langen Schlangen – um in einen Keks zu beißen. Der Laden „Cookie Couture“, bisher in Köln und Stuttgart, macht die Influencer verrückt! Am Samstag eröffnet nun auch eine Filiale in Hamburg. Und wieder sollen diverse Influencer-Promis kommen! Was die handtellergroßen Kekse so besonders macht und was die Kunden in der Hansestadt erwartet: Die MOPO hat mit dem Gründer gesprochen.
Riesige, noch warme Kekse. Sie werden bei „Cookie Couture“ vor den Augen der Kunden garniert. Mit verschiedenen kalten Cremes, mit Goldstaub, Kornblumen, Brezelchen oder frischen Früchten. „Unsere Kekse sind sehr ‚instagrammable‘“, sagt Gründer Kilian Wisskirchen zur MOPO. Und meint: Influencer reißen sich darum, Geschmackstest-Videos mit den Keksen bei Social Media zu posten. „Sie filmen auch gerne, wie ihr Cookie hier frisch dekoriert wird“, so Wisskirchen. Einige seien dafür schon extra von Hamburg nach Köln gereist. Mehr als 30 Millionen Views haben die Keks-Videos bei TikTok schon erreicht. Die lange Reise braucht es nun aber nicht mehr für Hamburger Keks-Fans.
„Cookie Couture“: Keks-Laden eröffnet bald in Hamburg
Immer samstags würden sich vor den Läden in Köln und Stuttgart mindestens 50 Meter lange Schlangen bilden. „Dann müssen wir leider auch Leute wieder nach Hause schicken. Die Nachfrage ist zu groß. Samstags läuft der Ofen durch.“ Da passt es doch zum (gewollten?) Hype, dass der Laden in Hamburg auch an einem Samstag eröffnet wird. Am 14. Juni ab 13 Uhr geht es los in der Filiale im „Westfield“ im Überseequartier. Die ersten 100 Cookies sind gratis. Ob wohl auch wieder ein paar bekannte Influencer kommen? Beim „Soft Opening“ (also eine nicht öffentliche Eröffnung für Ausgewählte quasi) war zumindest schonmal der Hamburger Food-Influencer Konstantin Hilbert da, der auch ein Video von seinem Besuch machte:
Die Idee für den Cookie-Laden hatten der 29-jährige Kilian Wisskirchen und seine zwei Mitgründer übrigens auf Reisen in die USA. „Dort haben wir Cookies kennengelernt, die innen ganz weich und außen schön knusprig sind“, sagt er. Diese Konsistenz hätten sie mit gutem deutschen Backhandwerk („keine Zusatzstoffe“) und französischer Patisserie (hübsche Deko) verbunden. Alle Cookies werden frisch vor Ort im Laden gebacken.
picture alliance/dpa | Christoph SchmidtMitgründerin Julia Boes zeigt im Stuttgarter Laden die Keksvarianten.
Mitgründerin Julia Boes zeigt im Stuttgarter Laden die Keksvarianten.
picture alliance / imageBROKER | Michael WeberSchlange stehen für Kekse: Kunden warten vor dem Laden „Cookie Couture“ in Stuttgart.
Schlange stehen für Kekse: Kunden warten vor dem Laden „Cookie Couture“ in Stuttgart.
Cookie CoutureKilian Wisskirchen (29) ist einer der Gründer von „Cookie Couture“.
Kilian Wisskirchen (29) ist einer der Gründer von „Cookie Couture“.
Und das Start-up aus Köln läuft bestens: 15 weitere Läden sollen in Deutschland noch in diesem Jahr eröffnen. Der im Westfield ist also nur der Anfang. Alle Cookies gibt es auch dort nur zum Mitnehmen.
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Bestseller sei der „Raspberry White Chocolate“-Cookie mit einem Vanille-Frosting, weißer Schokolade, Himbeerpüree und frischen Himbeeren. Aber auch der vegane „Spekulatius“-Keks mit „Lotus“-Krümeln sei der Renner. Kleine Cookies sind ab 2,90 Euro zu haben, große ab 3,90 Euro. Und natürlich gibt es auch einen „Dubai Style Choc“ mit Pistaziencreme und Kadayif. „Instagrammable“, eben.
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Wann genau findet die Aplerbecker Schlossfehde statt?
Ein rotes Dreieck, das gewiss kein antisemitisches Symbol ist: Der jüdische Widerstandskämpfer Philip Bialowitz im Jahr 2013 vor einer VVN-BdA-Fahne
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Am 12. Januar hat Bernd Trete aus Potsdam an der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration zur Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde teilgenommen. Trete ist Mitglied bei Mera 25. Diese Partei ist der deutsche Ableger der europäischen Bewegung Diem 25, die 2016 von dem ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis und dem kroatischen Philosophen Srećko Horvat gegründet wurde. Mera 25 gibt es seit 2021. Es handelt sich nach eigener Darstellung um eine progressive linke Partei, die sich für Frieden, Solidarität und Freiheit einsetzt.
Frieden ist Bernd Trete, der mit einer Mera-25-Fahne zur Demonstration ging, auch persönlich ein wichtiges Anliegen. Deswegen ermittelt nun aber die Polizei gegen den 66-Jährigen, weil er das Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation verwendet haben soll.
Denn Trete lief am 12. Januar auf Höhe des Blocks der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und wurde auf ein Transparent von deren Jugendorganisation SDAJ aufmerksam. Es zeigte ein Gewehr, entzwei gebrochen durch einen roten Keil, dazu eine geballte Faust und den antimilitaristischen Slogan »Wir sind die Jugend des Hochverrats! Wir sterben nicht für eure Kriege!« Das bezieht sich eindeutig auf den Reichstagsabgeordneten Karl Liebknecht, der 1916 als Hochverräter behandelt und zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, weil er mitten im Ersten Weltkrieg auf einer Friedensdemonstration ausgerufen hatte: »Nieder mit dem Krieg! Nieder mit der Regierung!«
Ein Foto des SDAJ-Transparents lud Trete später auf seinem Profil bei der Internetplattform X hoch. Nun teilt ihm die Polizeidirektion West mit Schreiben vom 3. Juni mit: »Bernd Trete verwendete am 13. April 2025 ein Bild des Banners der SDAJ mit einem nach unten gerichteten Dreieck (Symbol der Hamas). Nach hiesiger Einschätzung könnte das Zeigen von Symbolen der Hamas den Straftatbestand des § 86a Strafgesetzbuch (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) erfüllen.« Das Strafgesetzbuch sieht für ein solches Vergehen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor. Dem 66-Jährigen liegt es aber fern, Propaganda für die palästinensische Hamas zu machen, die weder demokratisch noch friedliebend ist, sondern ihre islamistischen Ziele mit Terror durchzusetzen trachtet.
Trete betont: »Ein Symbol der Hamas habe ich nicht verwendet.« Schon allein, weil die Hamas ein gleichseitiges Dreieck zeige, das von der SDAJ jedoch ein gleichschenkliges sei. Die Verwendung eines Keils, der ein Sturmgewehr zerbreche, deute darauf hin, »dass Kriegswaffen zerstört werden sollen und dass sich Menschen – insbesondere Menschen, die zur Jugend zählen – dem vorsätzlichen Töten verweigern sollen«, äußert Trete. Er sieht in dem Symbol eine Antikriegsbotschaft »im Gegensatz zur, wie ich es empfinde, allgemeinen Kriegshysterie« in der Bundesrepublik.
Was Trete hier erleben muss, ist kein Einzelfall. Immer wieder glauben Polizisten, in beliebigen roten Dreiecken ein Symbol der Hamas zu erkennen, obwohl aus dem Kontext ersichtlich sein müsste, dass dies nur ein großes Missverständnis sein kann. Im Juli 2024 hatte die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes VVN-BdA klargestellt, dass die SS politische KZ-Häftlinge mit einem roten Dreieck kennzeichnete. »Nach der Befreiung von der nationalsozialistischen Terrorherrschaft machten es die befreiten KZ-Häftlinge und Verfolgten zu ihrem Symbol und demonstrierten damit ihren Widerstand.« Die VVN-BdA fragte: »Sollen tatsächlich Gedenkstätten, Grabsteine und Mahnmale, auf denen sich dieses rote Dreieck befindet, abgerissen oder verhängt werden? Darf die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes ihre Symbole nicht mehr zeigen, wenn sie gegen das Vergessen, gegen Faschismus oder Antisemitismus demonstriert?«
Eine andere, ebenfalls unsinnige Deutung erfuhr das Symbol der VVN-BdA am Tag des Sieges über den Hitlerfaschismus am 9. Mai in Berlin. Andreas Eichner vom Bündnis Sahra Wagenknecht musste am sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park sein Halstuch der VVN-BdA auf Verlangen der Polizei abnehmen. Das Halstuch ist blau-weiß gestreift wie die Kleidung der KZ-Häftlinge und in der Mitte prangt der rote Winkel für politische Gefangene. Eine Polizistin habe bei der Einlasskontrolle darauf beharrt, dass dies die Farben der russischen Flagge seien, erzählte Eichner. Weil russische Flaggen an jenem Tage verboten waren, habe er das Tuch abnehmen und einstecken müssen, um passieren zu dürfen.