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Kapitalismuskritik – Vom Zwang, sich zu vermarkten
Es gibt ein »Wir«: Lohnarbeit ist männlich wie weiblich wie migrantisch.
Foto: New York Public Library
Selten kann man ein sozialwissenschaftliches Buch lesen, das von solcher Klarheit und Stringenz geprägt ist wie das von Nicole Mayer-Ahuja zur Klassenfrage. Es verbindet die Vorzüge einer brillanten Einführung in die Klassenfrage mit theoretischer Fundierung und einprägsam verarbeiteter breiter Empirie, ohne sich auch nur an einer Stelle in Details zu verlieren oder die Sache theoretisch unnötig zu komplizieren bzw. falsch zu vereinfachen. Das Buch verbindet, selten genug, kritische Gesellschaftsanalyse mit klarer politischer Orientierung. In Zeiten der Verwirrung, nicht zuletzt der gesellschaftlichen wie politischen Linken, ist dieses Buch wie kühles sauberes Wasser für einen Dürstenden.
Und nur selten wird man auf solche Weise ein sozialwissenschaftliches Werk würdigen. In diesem Fall aber ist es durch die Sache geboten. Mayer-Ahuja beherrscht den Gegenstand, über den sie schreibt, lässt sich nicht durch ihn beherrschen und muss auch nicht zeigen, was sie alles weiß. Mit zwingender Logik werden Schritt für Schritt die wesentlichen Probleme entwickelt, die Klassenanalyse heute aufwirft, Kapitel folgend auf Kapitel. Hochkomplexe Zusammenhänge werden auf schlüssige, oft anschauliche Weise erklärt, ohne sie dabei zu simplifizieren.
Im Zentrum des Buches steht das Paradoxon der kapitalistischen Klassengesellschaft, wie sie sich vor über 200 Jahren herausbildete: Es gibt eine gemeinsame Klasse der Lohnabhängigen, die in der Bundesrepublik rund 90 Prozent der Beschäftigten ausmacht, und sie ist wie keine andere Klasse gespalten.
Mayer-Ahuja verweist auf Friedrich Engels, der bei seinen praktischen wie theoretischen Studien zur Lage der arbeitenden Klasse in England und auf Basis der Analyse der britischen Sozialisten dieses Paradoxon 1845 auf den Punkt gebracht hat und dessen Ursache wie mögliche Wege der Überwindung aufzeigte: »Die Konkurrenz ist der vollkommenste Ausdruck des in der modernen bürgerlichen Gesellschaft herrschenden Kriegs Aller gegen Alle. Dieser Krieg, ein Krieg um das Leben, um die Existenz, um alles, also auch im Notfalle ein Krieg auf Leben und Tod, besteht nicht nur zwischen den verschiedenen Klassen der Gesellschaft, sondern auch zwischen den einzelnen Mitgliedern dieser Klassen […]. Diese Konkurrenz der Arbeiter gegeneinander ist aber die schlimmste Seite der jetzigen Verhältnisse für den Arbeiter, die schärfste Waffe gegen das Proletariat in den Händen der Bourgeoisie.« (MEW 2, S. 307) In der kapitalistischen Klassengesellschaft wird das »Divide et impera« zum strukturellen Prinzip, mit dem die Unterlegenheit der lohnarbeitenden Klassen und die Dominanz der Kapitalakkumulation über Wirtschaft und Gesellschaft zementiert wird.
Einerseits, so Mayer-Ahuja, gibt es die immer noch »wachsende Gruppe jener Menschen […], die ihre Existenz durch den Verkauf der eigenen Arbeitskraft sichern müssen, also Lohnarbeit leisten«. Ihre Lage ist durch grundlegende Gemeinsamkeiten geprägt: »vom Zwang, kontinuierlich die eigene Arbeitskraft zu vermarkten, über die Mehrung fremden Reichtums bis hin zu jener Fremdbestimmung, die aus Arbeit unter dem Weisungsrecht von Vorgesetzten erwächst«. Andererseits ist die Herstellung handlungsfähiger Solidarität, eine »verbindende Politik der Arbeit«, außerordentlich schwierig, denn sonst wäre der Kapitalismus längst Geschichte.
Mayer-Ahujas Buch zeichnet sich dadurch aus, dass sie Schritt für Schritt diesen Widerspruch zwischen den gemeinsamen Klasseninteressen der Lohnarbeitenden und ihrer Solidarität miteinander und gegen die Herrschaftszwänge einerseits und den durch die Konkurrenz erzeugten Linien der Spaltung bis Aufhetzung gegeneinander andererseits konzeptionell und empirisch begründet entfaltet. Ganz praktisch. »Wer ist Kollegin oder Kollege, mit denen ich Arbeits- und andere Erfahrungen teile, die mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind, denen ich auf Augenhöhe begegne? Und wo verlaufen die Grenzen dieses ›Wir‹ – wer steht aus meiner, aus unserer Sicht auf der anderen Seite, begegnet uns nicht nur als Gegenüber, sondern als Gegner mit gegensätzlichen Interessen? Anders formuliert: Mit wem solidarisiere ich mich – und wer bleibt von dieser Solidarisierung ausgeschlossen?«
Ausgehend von der Entwicklung der theoretischen Grundlagen im ersten Teil ihrer Schrift werden im zweiten die Paradoxien von Einheit und Spaltung der lohnarbeitenden Klasse konkreter dargestellt: Die Konkurrenz innerhalb dieser setzt – seit über 200 Jahren – an den Geschlechterverhältnissen an und an der Migration. Die Kapitalseite nutzt die ungleiche Handlungsmacht innerhalb der Lohnarbeitenden aus, und jene Arbeiter, die sich qua Geschlecht oder Ethnie gegenüber den Klassengenossinnen und ‑genossen überlegen sehen, leiten daraus oft ihrerseits Privilegien ab, die sie hart gegen die Klassenschwestern und ‑brüder verteidigen. Die Arbeitswelt ist weder geschlechtsneutral noch neutral gegenüber Herkunft, Alter, Bildung.
Die Belastungen in der Lohnarbeit und bei der unbezahlten Reproduktionsarbeit sind immer noch sehr ungleich zwischen den Geschlechtern verteilt. Dies wirkt sich auch innerbetrieblich aus. Es gibt Spaltungslinien zwischen den Lohnabhängigen entlang von Qualifikation, Arbeitsverantwortung und Gestaltungsspielraum, Einkommen, Zeitverfügung usw. Gemeinsame Antworten auf Herausforderungen unternehmerischer Umgestaltung und Auslagerung müssen hart erarbeitet werden. Oft sind die »Randbelegschaften« vor allem postmigrantisch geprägt, und Prekarität ist erneut zu einem Grundmerkmal der Lage insbesondere der unteren Gruppen der Lohnarbeitenden geworden. Die Klassenspaltungen tragen auch in Deutschland eine Hautfarbe und einen sprachlichen Akzent.
Mayer-Ahuja gelingt es, die Strategien der Unternehmen, die Veränderungen in den Strukturen der Kapitalakkumulation und der technologischen Entwicklung, die Selbstwahrnehmung der Lohnarbeitenden und die Ansätze ihrer solidarischen Bearbeitung darzustellen. Noch stärker hätten meines Erachtens die internationalen Dimensionen der Konkurrenz innerhalb der globalen lohnarbeitenden Klassen dargestellt werden sollen. Anders als in vielen anderen gesellschaftskritischen Darstellungen des modernen Kapitalismus gelingt es Mayer-Ahuja, Analyse und solidarische strategische Orientierung im Sinne der revolutionären Realpolitik Rosa Luxemburgs, auf die sie sich immer wieder bezieht, überzeugend organisch zu verbinden. Dies ist der größte Vorzug ihrer Schrift.
Im abschließenden Teil werden drei Strategien entwickelt, wie die Spaltung der lohnarbeitenden Klasse solidarisch und mit klarem Gegnerbezug bearbeitet werden kann. Erstens ist dies der Kampf um den Staat. Die neoliberale Konterrevolution hat bewiesen: »Staatliche Politik kann das Machtgefälle zwischen Kapital und Arbeit vergrößern oder verkleinern. Sie kann die Konkurrenz und Spaltung zwischen Arbeitenden schüren oder aber die Möglichkeiten abhängig Beschäftigter vergrößern, Unternehmen (und auch dem Staat) geeint und auf Augenhöhe gegenüberzutreten.« Der Absturz der Linken in Deutschland und in Europa sowie den USA ist damit verbunden, dass die Kapitalseite den Kampf um den Staat zu einem großen Maße für sich entschieden hatte. Der Aufstieg der Neuen Rechten mit ihrer Politik der Entsolidarisierung und der nationalistischen Hetze ist die Konsequenz.
Zweitens, so Mayer-Ahuja, bedarf es einer »solidarischen Politik der Arbeit« durch Betriebsräte und Gewerkschaften. Dabei geht es vor allem auch um konkrete Arbeit vor Ort entlang der Linien des Verbindenden wie des Spaltenden. Drittens, so macht sie deutlich, muss der Kampf um die Köpfe und Herzen geführt werden.
Ihr Buch endet mit den folgenden Sätzen: »Versuchen wir das (scheinbar) Unmögliche! Denken wir ohne Schere im Kopf über den Status quo hinaus – und konkretisieren wir unsere Vorstellungen davon, wie Arbeit, soziale Sicherheit und Demokratie in Wirtschaft und Gesellschaft aussehen sollen. Sorgen wir dafür, dass sich das ›Wir‹ der Lohnabhängigen erweitert – dass aus Potentialen der Solidarisierung tatsächlich Solidarität wird. Tun wir gemeinsam Schritt für Schritt hin zu einer besseren Gesellschaft.«
Nicole Mayer-Ahuja: Klassengesellschaft akut. Warum Lohnarbeit spaltet – und wie es anders gehen kann. C. H. Beck, 274 S., geb., 26 €.
»Versuchen wir das (scheinbar) Unmögliche! Tun wir gemeinsam Schritt für Schritt hin zu einer besseren Gesellschaft. Sorgen wir dafür, dass sich das ›Wir‹ der Lohnabhängigen erweitert«
Nicole Mayer-Ahuja
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EU-Umweltminister schwächen Klimaziele 2040: CO₂-Reduktion gefährdet
EU verzögert CO₂-Ziele
Rückschlag für den Klimaschutz
Die EU-Umweltminister haben sich auf ein heftiges Wendemanöver beim Klimaschutz geeinigt. Das Ziel, bis 2040 die CO2-Emissionen um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken, bleibt zwar formal bestehen. Doch nun soll eine Hintertür, eigentlich ein Scheunentor, eingebaut werden.
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Die EU-Staaten können bis zu 5 Prozent der Reduktionen mittels eines Ablasshandels erledigen – indem sie Klimaschutzprojekte in anderen Ländern finanzieren. Zudem wird der Start des Emissionshandels für den Verkehr und fürs Heizen (ETS2) um ein Jahr auf 2028 verschoben.
Tricksereien bei Klimaprojekten
Was hier gerade passiert, ist eine Art Ausschwemmen von Klimaprojekten. Eins nach dem anderen wird vertagt, verwässert, entschärft. So ist der Ablasshandel wie gemacht für allerlei Tricksereien, die Klimaschutz nur vorgaukeln.
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Mit der Verschiebung von ETS2 wird das ambitionierteste Vorhaben der EU auf die lange Bank geschoben. Ein starker Anreiz sollte entstehen, um auf Elektroautos und Wärmepumpen umzusteigen. Dass es nun erst 2028 damit losgehen soll, ist ein eindeutiges Signal. Es darf bezweifelt werden, dass es bei diesem Termin bleibt.
Ungarn und Polen lehnen den CO₂-Handel ab
Denn Ungarn und Polen wollen eigentlich nicht vor dem Jahr 2030 irgendetwas mit ETS2 zu tun haben. Der slowakische Landwirtschaftsminister Richard Takáč hat gerade sogar das endgültige Aus von ETS2 gefordert, da die Dekarbonisierung nicht funktioniere.
Es liegt nun an Deutschland, ob sich Takáč und andere Klimawandel-Ignoranten durchsetzen. Wenn es Umweltminister Carsten Schneider (SPD) mit dem Klimaschutz noch ernst meint, dann muss er den aktuellen CO2-Preis (55 Euro pro Tonne) nun angemessen hochziehen. Um einen Anreiz für CO2-freies Heizen und E-Mobilität abzusichern.
Und er muss dafür sorgen, dass Menschen mit kleinem Einkommen vom Staat stärker beim Umstieg auf Wärmepumpen und Strom-Autos unterstützt werden. Mit beiden Maßnahmen lässt sich nachweisen, dass Dekarbonisierung doch geht.
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NRW-Gesetz gegen Diskriminierung durch staatliche Stellen
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Verfasst von:
dpa
Ein Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) soll die rechtliche Stellung Benachteiligter gegenüber staatlichen Einrichtungen des Landes Nordrhein-Westfalen stärken. Der Entwurf enthalte einen Katalog von Diskriminierungsmerkmalen, erläuterte NRW-Gleichstellungsministerin Josefine Paul (Grüne) in Düsseldorf. Demnach soll es allen Landesstellen verboten sein, jemanden etwa aufgrund von antisemitischen oder rassistischen Zuschreibungen, Nationalität, Herkunft, Religion, Geschlecht, Sexualität oder Alter zu diskriminieren.
Der Entwurf wird nun zunächst von Verbänden beraten. Das im schwarz-grünen Koalitionsvertrag angekündigte Gesetz soll in der zweiten Jahreshälfte 2026 in Kraft treten.
NRW will vorangehen
Für kommunale Behörden wird es nicht gelten. „Das Land geht in seinem eigenen Zuständigkeitsbereich voran“, erläuterte Paul. Als Beispiele nannte sie etwa Schulen, Hochschulen und Finanzämter. NRW sei das erste Flächenland, das eine solche Novelle einführe. Bislang existiere ein LADG nur im Stadtstaat Berlin.
Mit dem Gesetz solle eine Schutzlücke, die bisher bei Diskriminierung durch öffentliche Stellen bestehe, geschlossen werden, sagte Paul. Denn das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz umfasse nur den privatrechtlichen Bereich, unter anderem Fragen des Wohnungsmarktes oder des Arbeitsplatzes in der Privatwirtschaft.
Ein Misstrauensvotum gegen staatliche Stellen sei das nicht, versicherte die Ministerin. Es liege aber auf der Hand, dass es angesichts zunehmender Diskriminierungserfahrungen bundes- wie landesweit weiteren Handlungsbedarf gebe.
Wenn Mädchen im Mathe-Unterricht schlechter benotet werden
Das Gesetzesvorhaben soll Personen stärken, die etwa bei Anträgen oder einer Bewerbung in einer staatlichen Stelle aufgrund persönlicher Merkmale benachteiligt werden. Als weiteres praktisches Beispiel nannte die Ministerin, wenn im Mathematik-Unterricht Mädchen systematisch benachteiligt und schlechter benotet würden.
Aber: „Es reicht nicht, einfach ein diskriminierendes Verhalten zu behaupten“, betonte Paul. Wer bei der entsprechenden staatlichen Stelle eine Diskriminierung beklage, benötige Indizien, die nahelegten, dass es sich tatsächlich um eine Benachteiligung handle. Zwar sei eine erleichterte Beweisführung geplant, allerdings keine Beweislastumkehr. Die betroffenen Beschwerdeführer könnten unterstützt werden durch die 42 Beratungsstellen der Freien Wohlfahrt für Antidiskriminierung in NRW.
Der Gesetzentwurf normiere deutlich, dass Abhilfe vor eventuellen Schadensersatzansprüchen stehe, erklärte Paul. „Erst wenn klar ist, dass diese Abhilfe so nicht möglich oder nicht mehr zumutbar ist, entsteht auch ein möglicher Anspruch auf Schadenersatz.“ Der wiederum richte sich stets gegen das Land, nicht gegen einzelne Behördenmitarbeiter. Die sollen durch Fortbildungen entsprechend sensibilisiert werden.
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