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Chefdenker – Ein Kühlschrank voller Ideen
Nichts dergleichen, Chefdenker sind so, wie ich sie in Erinnerung habe. Und das, so viel sei vorweggenommen, ist auch gut so. Punkrock mit spielfreudigem Leadgitarristen, das trifft es wohl ganz gut, wobei „Punkrock“ den Rahmen zu eng fasst und „spielfreudig“ bei weiten nicht ausreicht , um das zu beschreiben, was dort auf der Aufnahmespur von Gitarrist Kollege passiert.
Chefdenker liefern auch auf „Ein Kühlschrank voller Ideen“ konservative Rockmusik, das Grundgerüst ist dabei eben jener Punkrock, aber immer wieder ergänzt durch Hardrock, Hairmetal, Indierock und Pop. Und weitere Musikrichtungen, die ich nicht einordnen kann.
Und es gibt immer noch drei Dinge, die bei Chefdenker besonders hervorstechen. Da ist zu einem die Kürze der Songs: 19 Songs, 31 Minuten. Album durch. Wenn der Song fertig ist, dann ist er fertig. Auf unnötige Verlängerung wird bewusst verzichtet, sowohl textlich als auch musikalisch.
Womit wir schon beim nächsten Punkt wären: Der typische Chefdenker Sound ist natürlich auch das Unterbringen von scheinbar niemals endenden Gitarrensoli und Melodien in diese kurze Spielzeit. Das Klischee der Luftgitarre, welche man beim Hören des Albums durchgehend schwingt, darf und muss bedient werden, das kann in diesem Fall gar nicht abgeschmackt sein. Wo die bekannten nordeuropäischen Punk- HardRocknRoll-Poser Bands mit ihren schmierigen Melodien aufhören, da fängt The Kollege erst an. Ich stehe da total drauf, auch weil es dann doch schnell wieder vorbei ist.
Und dann sind wir auch schon beim nächsten hervorstechenden Merkmal: Die Texte. Claus Lüer bleibt ein hervorragender Alltagsbeobachter, der seine Beobachtungen, auch noch gut in Worte fassen kann. Direkte Worte, keine verschwurbelten Botschaften. Er beobachtet, berichtet, erfindet. Ohne Anklage, ohne Bewertung. Und trotzdem, oder auch gerade deswegen öffnet sich bei manchen Liedern doch auch eine zweite Ebene, bei der sich mir eine Unzufriedenheit über die Gesamtscheiße offenbart.
Wie zum Beispiel bei diesem Hit hier: „Schnubbi“. (Kurze Irritation beim ersten Hören. In meiner Gegend sagt man Schnöbbi, nicht Schnubbi. Aber Kölner*innen reden ja eh oft komisch, da kann ich also schnell drüber wegsehen.)
Zuerst als witzigen Song über Schnauzbärte verstanden, nach mehrmaligen Hören erkennt man aber doch auch eine tragische Ebene. Die Gleichförmigkeit des Lebenslaufs, der dann im plötzlichen Tod endet.
Das Fatale an diesem Ohrwurm ist das man den Schnubbi automatisch in immer weitere Situationen bringt: Schnubbi im Biomarkt, Schnubbi auf Mallorca, Schnubbi beim Elternsprechtag…
Weiterer toller Song: Schweine im Weltall. Eine Tour durch eben jenes, hinterlässt Chaos und Anarchie, klassischer Chefdenker-Punksong.
Ansonsten ist die Themenpalette weit gefächert: Bei „Impfen und Würstchen“ geht es ums Impfen, Würstchen (Corona, den Älteren vielleicht noch ein Begriff) und Bier. Seit dem Hören von „Lieblingslied“ weiß ich, welcher Stecker mein Liebster ist ( Klinke, ist klar), und Idioten (m/w/d) an der roten bzw. grünen Ampel werden ab sofort mit dem Text von „Grüner wird’s nicht“ kommentiert.
Steuern, Eierlikör, Sprachpolizei, wie gesagt, der Alltag liefert die besten Geschichten. Und das sind noch immer nicht alle Themen, an denen sich abgearbeitet wird. Hört am besten selbst, es lohnt sich sehr.