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Der FotoGraf – Störfrequenzen | vinyl-keks.eu

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Der FotoGraf – der dunkle Graf des Potts

Der FotoGraf ist ein Projekt des in Oberhausen lebenden Künstlers Hagen Hoffmann. Die umtriebige Ruhrpottlegende ist nach eigener Aussage: Oberhausener, Musiker, Grufti, Labelinhaber, Satiriker, Brauchtumsforscher, Hüter der Oberhausener Burggeschichte und Filmemacher. Als Musiker ist er unter anderem mit 4-LE Fanz (1992) oder Thee Chemtrails (2018) in Erscheinung getreten. Hagen Hoffmann ist in der Szene bekannt wie ein bunter Hund. Allerdings versteckt Herr Hoffmann sich gerne hinter Bands- und Künstlernamen.

Anfang der ’90er veröffentlichte der Oberhausener seine erste Platte mit der Punkband 4-LE Fanz. Nach eigenen Erinnerungen, „war das damals schon ein Riesenaufwand und hat mit Studio und Plattenpresse fast 5000 Mark gekostet. Unfassbar für den Schrott, den wir da abgeliefert haben.“. Eine andere lohnenswerte Veröffentlichung ist das Album „Under the Wire“ der Band Thee Chemtrails. Einer Satire von Oliver Kalkofe folgend, der sich über Verschwörungstheorien lustig gemacht hat, in denen immer die Chemtrails erwähnt wurden, entstand der erste Song „Chemtrails“. Die Band benannte man der Einfachheit halber genauso. Allerdings existiert die Band nur bei Live-Auftritten, zu denen Hagen Hoffmann Musiker hinzuzieht – die Entstehung von „Under the Wire“, lag komplett in der Hand von Hagen Hoffmann.

 

 

Die schwarze Szene hat es ihm angetan …

Als Kind hing Hagen Hoffman fasziniert vor dem Radio, wo selbst der damals konservative WDR zu späten Sendezeiten sich mit Subgenres beschäftigte. Mit entsprechendem, musikalischen Talent ausgestattet, saugte der junge Hagen alles auf, was irgendwie anders klang. Spricht man den Künstler auf seine musikalischen Vorbilder und Helden an, führt er The Jesus & Mary Chain und The Cure an. Er ist dieser Grufti-Szene bisher treu geblieben.

Vieles von diesen Wurzel hört man „Störfrequenzen“ an. Die Inspiration von Bands wie EA80 oder den Fliehenden Stürmen ist neben den Einflüssen von NDW, New Wave und Dark Wave nicht von der Hand zu weisen. Das Album entstand durch ein Treffen von Hagen Hofmann und Jörg Steinmeyer (aka Dr. Kernkrach) beim Fledermaustreffen Burg Sondern Juli 2022 in Oberhausen auf der Burg Vondern.

Angesprochen von Hagen auf ein paar 80er Songs, die er Jörg vorspielte, war der Großmeister aus Warendorf sofort Feuer und Flamme – „Ich dachte, ich fall vom Glauben ab“, kommentierte er das Gehörte. Auf Nachfrage erzählte Hagen ihm, dass er noch ein paar Songs in petto habe. Die Idee zum Album „Störfrequenzen“ war geboren. Der FotoGraf hat in Eigenregie im heimischen Studio alles eingespielt und gemastert. Jörg hat sich um den Rest gekümmert und das Debüt-Album auf dem Label Hertz Schrittmacher veröffentlicht.

Der FotoGraf sendet Störfrequenzen …

„Winter 22“ thematisiert die Energiekrise, ausgelöst durch den Ukrainekonflikt. Düster wird hier mit Atmosphäre und Bildern wie „Und alles riecht so herrlich nach Koks und Brikett“ gespielt. „Schwarzer Schnee auf weißen Strassen“ geht ebenfalls in die gleiche Richtung. Diese Stimmung fängt der Song brilliant ein. Wummernde Drums und synthetische Klänge schaffen die perfekte Atmosphäre, zu der die unterkühlte Stimme die mahnenden Worte mechanisch erklingen läßt.

 

 

„Paranoia“ hält das Tempo weiter hoch, bevor mit „Die Strasse“ ein wenig Entschleunigung kommt. Es sind die dramatischen Rhythmen und klagenden Klangteppiche gepaart mit dieser Endzeit-Lyrik, die die Hörer*Innen in die 1980er zurückkatapultieren. Es ist schwer sich diesem oralen Angriff zu entziehen. Und mal ehrlich – man will es auch gar nicht!

Dann drückt Der FotoGraf wieder auf das Gaspedal und es geht ab in den „Keller“, wo uns eine Herde wildgewordener Drum Machines und Synthies frontal angreifen und in die Ecke drücken. „Denn nur hier unten kann man uns sehen, denn nur hier unten, kann man uns verstehen“ – das ist die Blaupause für den Tanz im Keller der schwarzen Szene. Und tanzbar ist nicht nur „Keller“, sondern das gesamte Album ist ein Weckruf, das Tanzbein im Geist und Sound der 1980er zu schwingen.

Über „Ramba Zamba“, einem Song mit NDW-Charme und Surf-Gitarren und „Lasst uns“ begeben wir uns auf die B-Seite, wo uns mit „Im Forst“ ein düsteres Monster auflauert. Im Mid-Tempo erzeugen die Zeilen eine angstvolle Atmosphäre, die durch die dunkle, dystopische Stimmfarbe noch verstärkt wird. In „Inflations Boogey“ erzählt Der FotoGraf augenzwinkernd die wirtschaftlichen Konsequenzen der Inflation der letzten Jahre. Ein Song, der ohne weiteres in der Hochzeit der NDW in der Jukebox der nächsten Eckkneipe entsprungen sein könnte.

Das Trinklied „Volksmusik“ treibt mit militärischer Präzision den Rhythmus voran, zu dem Der FotoGraf uns den Spiegel schonungslos vorhält, um unsere German Folksiness mit scharfem Skalpell zu filetieren. Die Anti-Paparazzi-Hymne „Fotografen“ beeindruckt mit Tempo-Wechseln und hektischen elektronischen Klängen, die eine angespannte Stimmung erzeugen, aus der man am liebsten flüchten möchte.

Kurz vor dem Ende kriegen die Hipster vom FotoGraf eine deutliche Ansage. In „Uns alle“ wird schonungslos mit den tätowierten Bartträgern abgerechnet, die den Trends wie die Lemminge hinterherlaufen. Das Highlight „Horizont“ beendet „Störfrequenzen“ mit der angemessenen Würde. Der FotoGraf lässt im Midtempo noch mal die Finger über die schaurigen Synthies fliegen und entlässt uns mit den hoffnungsvollen Worten „Es kommt die Zeit, dass wir uns wiedersehen am Horizont“ in die Nacht. 

https://youtu.be/9DQmli_PdYw?feature=shared

Störfrequenzen ist ein düsteres Zeitdokument mit dem Potenzial zur Legende

„Störfrequenzen“ ist in streng limitierter 150 Stück Auflage: 50 Stück in der Super lim. Edition und 100 Stück in der Standard lim. Edition, erschienen. Als echter Hingucker  kommt das Vinyl liebevoll verpackt im Silk-Screened Cover und mit Textbeilage. Die 180 Gramm sorgen für eine hervorragende Laufruhe und geben der düsteren Dynamik und klanglichen Ästhetik der zwölf Songs des FotoGrafen die richtige Hardware. Genre-Fans und Sammler sollten hier ohne langes Zögern zugreifen. Wie immer ist das Album über den Versand von Kernkrach erhältlich.

Vinyl ist für mich nicht nur Musik, sondern ein Erlebnis. Die von mir beschriebenen Alben, habe ich alle ausgepackt, angeschaut und angehört. Gerne auch mehr als ein Mal. Bei den Reviews mache ich mir immer ein eigenes Bild durch entsprechende Recherche und das konzentrierte Anhören. Das ist meine Art den Künstlern entsprechende Wertschätzung für ihre Kreativität und Kunst entgegenzubringen.
So kann es vorkommen, dass zum Zeitpunkt des Erscheinens, die Platten in seltenen Fällen vergriffen sind.
Dazu gibt es für mich keine Alternative: über Platten schreiben, in dem man die Pressetexte abschreibt ohne die Platte in den eigenen Händen gehalten zu haben, macht für mich keinen Sinn. Danke für euer Verständnis.

Lagartija Nick.

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