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Diversity Dive #15 – The Selecter – Pauline Black: A 2-Tone Story

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The Selecter: Ein legendärer Abend im SO36!

Anfang September, Berlin Kreuzberg – Was für ein Schietwedder! Der Regen schüttete wie aus Eimern und viele waren in ihren klatschnassen, aufgeweichten Klamotten unterwegs. Ein Königreich für Regensachen! Aber hey, das hielt die echten Fans nicht davon ab, wenigstens zum Konzert von The Selecter ins SO36 zu kommen, angereist daselbst aus dem Vereinigten Königreich des Regenschirms! Auch mit Rollstuhl und plitschnassem Regenponcho traf man hier ein. Wer fleißig die Vinylk-Keks-Specials mitliest, kennt den Rollstuhlfahrer Jürgen schon. Mit dem The-Selecter-Fan hatte ich im Vorfeld bei dem aus Juni verschobenen The Selecter Konzerttermin ein MusInclusion-Interview geführt, hier zum Nachlesen.

Jürgen mit Rollstuhl für MusInclusion © arnica montana

Naja, schön Jürgen wiederzusehen jedenfalls. Und auch sehr schön zu sehen, wie hilfsbereit die Leute vom SO36 sich unaufdringlich im Hintergrund bereithielten, bis der Rollstuhl an seinem Platz vor der Leinwand parkte. Ins SO36 kann jemand mit Rollstuhl auch spontan alleine kommen. Die Bierbänke standen in mehreren Reihen mit gut 4.5 Metern Abstand zur Leinwand, und so gab es genug Platz für den Rollstuhl in der ersten Reihe. Es ist ja nicht immer unbedingt einfach mit dem Rollstuhl ins Kino zu fahren, aber hier im SO36 geht das alles wie immer bestens. Weil das SO36 auch genau das will: Zugänglich sein für alle. Zur SO36-Philosophie im Interview für Vinyl-Keks.eu mit Lilo und Pascal geht’s hier.

Inklusion, Bild © arnica montana

Das SO36 war extra für den Tag also zum Kino umfunktioniert worden. Es sollte uns nämlich ein langer Abend in zwei Parts erwarten (die sich auch getrennt besuchen ließen). Part I des Abends begann mit dem Dokumentarfilm „Pauline Black: A 2-Tone Story“. Natürlich mit viel Musik und einem Soundtrack von The Selecter. Pünktlich ging’s los: Pauline Black hielt eine persönliche Ansprache, die erstmal alle richtig gut abgeholt hat. Auch die Regisseurin Jane Mingay war anwesend und hat kurz ein paar Worte an das Publikum gerichtet. 

Ansprache & Fragerunde, Foto © arnica montana

Der Film von 2024 wurde nach Corona gedreht, aber bevor Trump wiedergewählt wurde. Pauline erzählte in ihrer Rede, dass sie nie gedacht hätte, dass die Probleme aus den 50ern echt immer noch aktuell sein könnten oder jemals zurückkommen würden. 

Dann hieß es „Film ab!“ Er zeigte Pauline Black’s Erfahrungen als Adoptivkind und einzige Schwarze in einer kleinbürgerlichen, weißen Nachbarschaft. Pauline Black wurde geboren als Belinda Magnus am 23. Oktober 1953 in Groß Britanien. Oft hatte sie das Gefühl, nicht dazuzugehören oder dass etwas mit ihr nicht stimmte. Rassismus und Sexismus sind zudem zentrale Themen in diesem Film, aber auch Paulines Einsatz für Gleichberechtigung. In den Sixties wurde sie dann auf die Afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung aufmerksam, ließ sich inspirieren und zog dorthin, wo die Arbeiter:innen lebten – ein Ort, wo Menschen aus aller Welt zusammenkamen: Coventry. Jüngst ein ziemlich gefährliches Pflaster, wie es scheint, und dadurch angeblich ziemlich unbeliebt bei Touris. Genau dort fühlte Pauline Black sich bald zuhause und wurde zunächst Hippie. Doch dann fand sie schließlich ihren Weg und gründete 1979 in der Industriestadt Coventry zusammen mit anderen die Band The Selecter. Fortan lebte sie den „Black and White“  2-Tone-Style, passend zu den kultigen Schachbrettmustern. Sehr zum Unverständnis ihrer weißen Adoptivfamilie nahm sie On Top auch noch den für ihre Familie durchaus provokanten Künsterlinnenamen Pauline Black an. Der Haussegen geriet in Schieflage.

Pauline Black, Dokufilm © arnica montana

Der recht interessante Film führt durch die Geschichte des Ska, wie er aus Reggae und Punk entstand und erzählt weiter, wie Faschist:innen irgendwann sogar begannen den Skinhead-Look dreist für sich zu vereinnahmen (dieses scheinbar inkohärente Verhalten findet sich seltsamerweise auch gegenüber vielen anderen gegensätzlichen Jugendkulturen und deren Musik & Bekleidung). Außerdem zeigt der Film Pauline Black’s Leben als Schauspielerin und Autorin.

Nach dem Film gab’s eine kleine Fragerunde mit Pauline Black vor der Leinwand, die ebenfalls sehr gut war und viele verschiedene Fragen aufwarf. Nach kurzem Zögern kamen dann einige Leute mit ihren Fragen und die Stimmung war gut! Pauline sprach mit ihnen auch über die aktuellen Themen und meinte, dass ihre Generation einiges vermasselt hätte, aber jetzt sei es an der jüngeren Generation, es besser zu machen. Pauline erinnerte daran, dass Schwarze damals nicht einmal das Wahlrecht hatten und teilweise noch gelyncht wurden – total verrückt! Heute sind wir vielleicht etwas besser dran, aber es scheint, als würde vieles wieder rückwärts gehen, mit dem Comeback der 50er-Jahre-Hausfrauen und diesem ganzen Kram. Aber es gibt eine Gegenbewegung mit vielen Menschen, die für Freiheit und Gemeinschaft kämpfen wollen, die Hoffnung vorleben! 2-Tone – Black & White nebeneinander, bedeutet eben mehr, als ein bloßes Fashion-Statement.

Wer sich für die Hintergründe aus dieser Zeit interessiert, dem sei dieser Film nahegelegt, da er nicht nur Pauline Black’s Leben beleuchtet, sondern auch die damalige Geschichte und Politik dazu ins Verhältnis setzt und eine Jugendbewegung zeigt.

The Selecter Konzert, Foto © arnica montana

Als die Show endlich startete, war super Stimmung. Pauline war so fit, dass ich dachte, sie hätte tausendprozentig ihren Kaffee mit Wasser vom Jungbrunnen gekocht! „Three Minutes Hero“ dröhnte durch den Raum und es sang das gesamte Publikum mit:  „Lalala-laa-la!-La-lala-lala-la!“

The Selecter Konzert, Foto © arnica montana

Beim späteren Instrumental von „James Bond“  rockte sie am Keyboard die Tasten zusammen mit dem Keyboarder. Die Tanzfläche war voll, alle hatten Spaß und bewegten sich in entspannten oder wilden Moves – Ska pur! Ich liebe Ska einfach total zum Tanzen und für gute Laune sowieso. Man merkte der über siebzigjährigen Pauline während der Performance ihr Alter überhaupt nicht an – die Frau hat einfach Power!

Pauline Black, Foto © arnica montana

The Selecter haben das SO36 jedenfalls vollständig zum Beben gebracht! Sie haben ohne Vorband gespielt und die ganze Show alleine klar gemacht. Nicht etwa nach 45 Minuten schon Schluß gemacht, sondern volle anderthalb Stunden durchgezogen und einen Hit nach dem anderen runtergerissen bei gleichbleibender Performance. Wahnsinn! Hier ist die Setlist für euch zum Nachmachen. Jaja ich weiß, ist teilweise etwas unscharf, war aber auch kopfüber fotografiert und dann das Bild gedreht. Wer die Songs kennt, weiß aber sowieso was da steht, da reicht auch der Umriss von Buchstaben. 😀

Playlist, The Selecter

Ein kleiner Wermutstropfen war sicherlich das Fehlen von Gaps Hendrickson, der im Juni 2024 mit 73 Jahren in die ewigen Ska-Gründe eingegangen ist. Von den Gründungsmitgliedern ist neben Pauline nun noch der Drummer Charley „Aitch“ Bembridge auf der Bühne dabei. Auch ihm hat man die Länge der 90-Minütigen Show nicht angemerkt. 

Charley „Aitch“ Bembridge, Bild © arnica montana

Kleine Pannen gab’s aber auch noch für die Bandmitglieder auf dem Weg von UK nach Berlin. Des Gitarristen E-Gitarre blieb leider am Flughafen London Heathrow zurück. Mit geliehenem Instrument ging der Guitarrero an den Start und ließ sich durch solche Problemchen nicht stören.

The Selecter Gitarist, Foto © arnica montana

Die Band hat jedenfalls eine sehr bewegte Geschichte hinter sich, mehrere Bandwechsel und auch sogar doppelt bestanden. Nach einer längeren Pause zwischen 1982 und 1992 gründete sich die Band um Pauline Black neu. Seit 2003 tourt sie mit dem Akustik-Set in ihrem unverwechselbaren Style. Stilecht und monochrom in Cigarette Pants, Loafers, Pork Pie Hut und Blazer oder Biker Jacke. 

The Selecter Konzert, Foto © arnica montana

Nach dem Konzert gab’s Autogramme, und ich konnte mir eines auf meine DIY-Jeans-Jacke holen! Pauline fragte mich, ob ich die Jacke selbst gemacht habe, und ich bestätigte das. Sie fand die Jacke richtig cool und schüttelte mir die Hand, als ich erwähnte, dass ich Fotos für das Musikmagazin Vinyl Keks gemacht habe. Es war ein schönes Gefühl, kurz ihre warme, weiche Hand zu drücken.

Insgesamt war es ein Abend voller Musik, Spaß und dem besonders heute so wichtigen Gemeinschaftsgefühl. The Selecter haben nicht nur die Bühne gerockt, sondern auch mal wieder unsere Herzen erobert. Ich kann es kaum erwarten nach Hause zu rasen und sie weiterzuhören. Am besten gleich eine fette Playlist mit Ska-Bands aus den späten 70’s / frühen 80’s, die ich neben The Selecter auch so mag…The Beat, The Specials, Madness… dazu den jamaikanischen Godfather of Ska aka Laurel Aitken und den King of Ska: Desmond Dekker. Danke Pauline! Schön war’s, seufz.

Pauline Black Autogramm „On My Radio“

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