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Jools – Violent Delights | vinyl-keks.eu
Mit „Violent Delights“ legt die sechsköpfige Band Jools, übrigens benannt nach Jools Holland (Genau, DER Fernsehmoderator, Pianist und Orchesterchef) aus Leicester ein Debütalbum vor, das sicherlich keine leichten Wege geht, aber tiefe Spuren hinterlässt und auf dem ersten Ohr etwas – naja, schwierig wirkt, sich aber mit der Zeit entwickelt. Und weil sie solch wunderbare Musik machen, passt es, das „Violent Delights“ auf Hassle Records veröffentlicht wurde. „Violent Delights“ macht von Beginn an klar, dass nicht einfach Musik gemacht wird, sondern dass hier jemensch etwas loswerden muss. Schmerz, Wut, Schuld, Scham und vor allem der unbedingte Wille zur Selbstbestimmung brennen sich in jede einzelne Sekunde dieser Platte.
Jools eröffnen mit „The Pleasures“, einem unruhig tastenden Spoken-Word-Intro, das klingt wie ein gestörtes Ritual. Schon hier deutet sich an, dass die Texte keine halben Sachen machen – und dass musikalisch mit Konventionen gebrochen wird. „Limerence“ explodiert kurz darauf mit emotionaler Intensität: die euphorische Obsession einer frühen Beziehung wird zum fiebrigen Klangbild zwischen Zuneigung und Kontrollverlust. Dabei zeigt sich bereits das Markenzeichen der Band – die ständige Reibung, das Wechselspiel zwischen den beiden Sänger*innen Kate Price und Mitch Gordon. Wo Price dramatisch und durchdringend agiert, stemmt sich Gordon dagegen – unruhig, sarkastisch, körperlich.
In „Cardinal“ und „Mother Monica“ wird die politisch-kathartische Energie der Band besonders deutlich. Der letztere Song ist ein Manifest gegen religiöse Schuld und geistige Enge – mit donnernden Gitarren, heiligen Bildern und einer tiefen persönlichen Wunde als Grundlage. Solche Songs sind keine Statements für Spotify-Playlists, sondern emotionale Schlachten.
„97%“, bereits auf der veröffentlichten 7inch zu finden, und „Guts“ gehören zu den direktesten Songs des Albums – sie handeln von patriarchaler Gewalt, psychischem Druck und dem Versuch, sich aus zerstörerischen Rollenbildern zu befreien. Hier wird Wut zum Katalysator, aber nie hohl oder plakativ. Im Gegenteil: Die Produktion bleibt mit noisigen und beinahe cineastischen Arrangements stets durchdacht, die die Texte aber nicht unterdrücken oder erdrücken, sondern fast verstärken!
Einer der auffälligsten Tracks ist „Live Deliciously“, eine wütende Reflexion über internalisierte Geschlechterrollen und Selbstverleugnung. Die Barfight-Metapher und das Zitat aus dem Horrorfilm The Witch („Wouldst thou like to live deliciously?“) verschmelzen zu einem bizarren Selbstgespräch zwischen maskulinem und femininem Ich. Man spürt die Dringlichkeit dieser Konfrontation – wie auf einem Prüfstand zwischen Flucht und Erlösung.
Mit „Dunoon“ folgt der vielleicht emotional sensibelste Moment des Albums, da hier über den Alkoholismus eines engen Familienmitglieds gesungen wird. Trauer verwandelt sich in klangliche Schwermut mit verzerrtem Bass und der zarten Wut im Gesang.
Der abschließende Titelsong „Violent Delights“ bringt das Album zu einem beinahe sakralen Ende. In monumentalem Sound und repetitivem Aufbau wird deutlich: Gewalt und Vergnügen, Lust und Schmerz sind oft unentwirrbar verwoben. Dieses Finale wirkt wie ein Klagelied und ein Triumph zugleich – das Resultat eines Überlebens.
Was das Album „Violent Delights“ so besonders macht, ist seine Kompromisslosigkeit. Musikalisch bewegt sich das Album irgendwo zwischen Post‑Punk, Noise, Rap, Shoegaze und Industrial. Aber wichtiger als jedes Genre ist die Haltung dahinter. Jools wollen nicht gefallen. Sie wollen gehört werden – laut, intensiv, unbequem. Und das gelingt ihnen mit einer Klarheit und emotionalen Präzision, wie sie selten auf einem Debüt zu hören ist.
Ein kleiner Wermutstropfen für mich: „FKA“, neben „97%“ ebenfalls auf der 7inch zu finden, hat es nicht auf das Debüt geschafft hat. Andererseits hat „FKA“ damit den Status des „Besonders sein“.
„Violent Delights“ ist sicher nicht einfache Hausmannskost. Aber es ist ein Album, das genau weiß, was es sagen will. Es bringt dich dazu über dich, deine Vergangenheit, deine Gegenwart und deine Zukunft nachzudenken. Und es ist sicher eines der stärksten Alben in diesem Jahr!
Ein paar Termine im deutschsprachigen Raum wird es dieses Jahr auch noch geben. Hier geht es zu den Terminen!
Erwerben könnt ihr das Album sowohl bei Hassle Records (in einer schicken sparkled Variante z.B.), als auch bei unserem Partner JPC. Der Link dazu folgend:
Viel Spaß beim Hören und Entdecken!