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Mietwucher – Caren Lay: »Der Staat darf nicht länger wegschauen«

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Seit fast einem Jahrzehnt Expertin der Linken im Bundestag für Mieten- und Wohnungspolitik: Caren Lay

Foto: Imago/dts Nachrichtenagentur

Die Linke hat einen Gesetzentwurf zur Verschärfung der Mietwucher-Regelungen in Paragraf5 des Wirtschaftsstrafgesetzes vorgelegt. Warum?

Es gibt einfach sehr viele Mieten in Deutschland, die illegalerweise zu hoch sind. Wir haben vor einem Jahr als Linksfraktion unsere Mietwucher-App an den Start gebracht. Die 220 000 Menschen, die sie genutzt haben, haben ein selbst für uns ungeahntes Ausmaß illegal überhöhter Mieten ans Tageslicht befördert: In zwei Dritteln aller Fälle waren die Mieten überhöht. Das ist natürlich keine repräsentative Studie, aber wir wissen auch aus den Kommunen, dass es eine ziemlich hohe Zahl von Mietverhältnissen gibt, die nicht Recht und Gesetz entsprechen. Und wir sagen: Der Staat darf beim massenhaften Gesetzesbruch auf dem Rücken der Mieterinnen und Mieter nicht weiter wegschauen.

Gesetze gegen Mietwucher existieren seit Jahrzehnten. Warum greifen sie nicht?

Ein Urteil von 2004 hat dazu geführt, dass die meisten Wohnungsämter aufgehört haben, überhöhte Mieten nach Paragraf 5 Wirstschaftsstrafgesetz zu verfolgen. Der Grund: Die Rechtsprechung setzt sehr hohe Hürden und verlangt, dass im Einzelfall nachgewiesen wird, dass eine individuelle Notlage des Mieters ausgenutzt wurde. Erst durch den Druck, den wir im letzten Jahr gemacht haben, fangen Städte wie Hamburg, Frankfurt am Main, Leipzig oder der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg in Berlin wieder an, das Thema anzugehen. Hinter dieser Misere steckt auch diese Haltung, die in den 1990er und 2000er Jahren hegemonial war, von wegen: Der Markt wird das schon regeln. Das muss sich endlich ändern. Es ist eine öffentliche Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Mieterinnen und Mieter nicht übers Ohr gehauen werden.

Was würde sich mit Ihrem Gesetzentwurf ändern?

Zwei Dinge: Erstens eine einfache Klarstellung im Gesetz. Die Tatsache, dass die Mieten überhöht sind, muss reichen, um die Sache weiterzuverfolgen – ohne nachweisen zu müssen, dass eine individuelle Notlage ausgenutzt wurde. Zweitens ein von 50 000 auf 100 000 Euro erhöhter Bußgeldrahmen. Fachleute sagen, es gebe Großvermieter, die systematisch geltendes Recht brechen. Die machen so viele Gewinne damit, dass 50 000 Euro einfach nicht mehr abschreckend genug sind, und da müssen wir gegensteuern.

Dieser Entwurf ist Teil Ihrer Mietenkampagne. Was steckt dahinter?

Die Kampagne der Bundestagsfraktion fokussiert besonders auf das Thema Mietwucher – und das seit einem Jahr. Der nächste Höhepunkt ist, dass wir mit unserer Mietwucher-App in zwölf weiteren Städten an den Start gehen. Und gerade haben wir unseren Gesetzentwurf zur Abstimmung gesstellt, wenngleich er leider wie befürchtet abgelehnt wurde. Darüber hinaus startet jetzt eine Mietenkampagne der Partei Die Linke. Dazu gab es schon vor ein paar Wochen eine Aktivenkonferenz in Berlin mit über 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmern – das war wirklich ein Hoffnungsschimmer. Bei der Kampagne der Partei werden sicher auch weitere Probleme der Mietenpolitik zur Sprache kommen. Und auch wir im Bundestag werden natürlich nicht nur über Mietwucher, sondern auch zum Thema Mietendeckel sprechen.

Interview

Caren Lay setzt sich seit Langem für die Rechte von Mieter*innen ein. Seit 2009 ist sie Mitglied des Bundestages und seit 2016 Sprecherin für Mieten- und Wohnungspolitik der Linksfraktion im Bundestag. Am 6. November lehnte der Bundestag den Gesetzesentwurf der Linken zur wirksamen Bekämpfung von Mietwucher ab. Von 571 anwesenden Abgeordneten votierten 131 dafür und 440 dagegen.

Kritiker sagen, eine schärfere Regulierung verschrecke Investoren und verschärfe den Wohnungsmangel. Was entgegnen Sie?

Ein Geschäftsmodell, das gegen geltendes Recht verstößt, ist nicht tragfähig. Und generell ist es falsch, Investitionen in bezahlbaren Wohnraum so zu organisieren, dass sie auf massiven Mietsteigerungen basieren. Wir brauchen nicht nur ein schärferes Mietrecht, sondern vor allem ein öffentliches Investitionsprogramm nach Wiener Vorbild. Hier muss öffentliches Geld in eine gemeinnützige Wohnungswirtschaft investiert werden, wo nicht hohe Renditen im Vordergrund stehen, sondern Wohnungsangebote für Normal- und Geringverdienende. Das geht nur mit öffentlichem Geld. Jeder Euro, der in bezahlbaren Wohnraum angelegt ist, ist gut angelegtes Geld – eine Investition in den Sozialstaat, in den sozialen Zusammenhalt. Die Stadt Wien macht gut vor, dass das funktioniert.

Union und SPD haben den Gesetzesentwurf wie erwartet abgelehnt. Warum haben Sie ihn dennoch zur Abstimmung gestellt?

Es geht in jedem Fall darum, Druck aufzubauen, aber wir wollen nicht bis zur nächsten Legislatur warten. Und wir stehen nicht alleine: Der Druck kommt auch von den Städten und von der Mehrheit der Bundesländer, und er wächst. Unser Gesetz entsprach nicht den Maximalforderungen der Linken, sondern es ist der Gesetzentwurf von Markus Söder und Hendrik Wüst, also von Leuten der Unionsparteien. Das ist nicht mal sonderlich links, das ist einfach schlichtweg notwendig, damit Mietwucher wieder verfolgt werden kann. Die Bundesregierung hat das Thema an eine Kommission zum Mietrecht übergeben – aus meiner Sicht ein reiner Verschiebebahnhof. Dabei stehen die Kommunen in den Startlöchern und können nicht länger warten. Wir hatten am Montag ein Gespräch im Bauausschuss mit Vertretern des Städtetages, und die Kommunen sagen alle: Bitte ändert das endlich, damit wir arbeiten können.

Was wäre die Maximalforderung der Linken?

Wir brauchen einen ganz anderen Gesetzesrahmen für Mieten, eine echte Preisregulierung. Da gibt es ein Konzept des Stadtsoziologen Andrej Holm, das wir überarbeitet in den Bundestag einbringen wollen. Die Absenkung von zu hohen Mieten ist ein wichtiger Bestandteil. Das aktuelle Gesetz sagt, dass 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete zu viel sind. Ich würde vorschlagen, dass es schon bei zehn Prozent anfangen muss. Wir werden dazu eigene Vorschläge bringen. Der Gesetzentwurf gegen Mietwucher ist das bare Minimum – und das muss kommen. Meine Hoffnung ist, dass es gesellschaftliche Kräfte gibt, die auch die Veränderungen wollen, die Die Linke fordert.

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Breite gesellschaftliche Kräfte – hier in Berlin wäre das beispielsweise die Bürgerinitiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen. Ist die Enteignungsfrage auch ein Hebel, oder wollen Sie das auf Bundesebene ausschließlich über den Mietendeckel regeln?

Prinzipiell ist Enteignung ein Hebel auf allen Ebenen, aber der Fokus beim Thema Vergesellschaftung liegt jetzt gerade auf den Stadtstaaten Berlin und Hamburg. Da ist der Hebel mit der Volksgesetzgebung einfach größer, um das auch tatsächlich Realität werden zu lassen. Deswegen ist die Fokussierung auf Enteignung dort im Moment richtig und natürlich unterstützen wir das als Bundestagsfraktion von ganzem Herzen. Auf Bundesebene ist der größte Hebel aber gerade beim Mietwucher-Thema, weil es hier sehr viel Unterstützung gibt, die weit über Die Linke hinausgeht.

Sie beschäftigen sich seit Jahren intensiv mit Mietenpolitik. Was treibt Sie persönlich an?

In Zeiten des Neoliberalismus, eklatant steigender Mieten und privatisierter Wohnungswirtschaft ist die Wohnungsfrage einfach die soziale Frage unserer Zeit. Es ist eine absolute Frechheit, dass die letzten zwei, drei Bundesregierungen dieses Thema nicht angegangen sind und es ist ein Skandal, dass die aktuellen Regierungsfraktionen nicht einmal unserem Gesetzentwurf zugestimmt haben, dessen Umsetzung schlicht das Mindeste wäre, um den Mieterinnen und Mietern in diesem Land ein wenig mehr Luft zum Atmen zu verschaffen.

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