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MusInclusion #32 – Jürgen | vinyl-keks.eu
Heute gibt uns Jürgen mal einen kleinen Einblick, was es bedeutet, mit Rollstuhl einen Konzertbesuch zu planen. Wie bitter es sein kann, wenn dieses dann ausfällt, erzählt er im Spontan-Interview zum The Selecter-Konzert am 06.06.25. Dort habe ich ihn vor verschlossener Pforte getroffen und angequatscht. Zum Interview war er sofort bereit, musste er doch eh warten, bis sein Fahrdienst ihn verfrüht wieder abholen kann.
Hier kommt unser kurzer Chat vorm SO36 über Barrierefreiheit, Lieblingsclubs, Lieblingsmusik, dies und das. Die Wartezeit auf Jürgens Fahrdienst haben wir gut genutzt, gequatscht, Fotos gemacht und ne Brause getrunken.
Arnica: Hi Jürgen, wir haben uns hier zusammengefunden zum The Selecter-Konzert und wussten wohl beide nicht, dass es ausfällt. Wie kompliziert ist die ganze Orga für einen Konzertbesuch für dich? Und wie reagierst du, wenn Pläne sich plötzlich ändern?
Jürgen: Sonst klappt es immer gut, ich bestelle ja beim SO36 die Karten. Zwei Wochen vorher habe ich die Fahrt hierher mit dem Fahrdienst bestellt. Naja, jetzt bin ich hierher gekommen und dann habe ich gesehen, dass das Konzert ausfällt. Es ist so ein bisschen doof, dass mir das SO36 nicht Bescheid gegeben hat, die haben ja meine E-Mail-Adresse. Werd mal anrufen und fragen, warum die mir nicht Bescheid gesagt haben. Ich kann ja nicht jedes Mal auf die Internetseite gucken, ob da Sachen ausfallen oder abgesagt werden.
A: Geht mir genauso heute. Manchmal gibt’s eine Info-Mail von den Veranstaltenden, manchmal muss man sich selbst informieren. So eine Überraschung ist natürlich mega umständlich bei so viel Planung vorab. Schreckt dich das jetzt für die Zukunft ab bzw. bist du sauer?
J: Nein, nein. Ich werd auf jeden Fall zur Nachfolgeveranstaltung am 11.09.25 kommen.
A: Wie sind deine Erfahrungen mit Barrierefreiheit sonst?
J: Ich habe The Selecter schon mal gesehen mit einem Freund von mir. Der wollte heute mitkommen, hatte aber keine Zeit. Ich glaube, das war auch hier im SO36 und das war sehr gut, daher stammt auch mein T-Shirt. Es ist gut, dass eigentlich meistens, so wie im SO36, eine Begleitung umsonst dabei ist. Viele andere Konzerte sind sonst einfach zu teuer. Aber ich muss mir schon die Locations aussuchen, wo auch ein Rolli-Klo ist. Manche Locations sind gut, aber wenn dann die Sanitäranlagen schlecht sind und ich schwer auf die Toilette komme….
A: Ja, verstehe. Manche sind die ja leider auch extrem unhygienisch. Welche Locations fallen dir als Tipp sonst so ein in Berlin mit Rollstuhl?
J: Das Mehringhof-Theater. Da komme ich gut hin, da ist auch ein Rolliklo auf dem Hof mit Schlüssel. Das ist in Ordnung.
Früher konnte ich auch ins Quasimodo, aber da lassen sie keine Rollstuhlfahrenden mehr rein. Damals bin ich sogar immer vom Bühneneingang rein, da haben sie mich die paar Stufen runter getragen. Aber das war auch noch ein anderer Besitzer. Die haben das inzwischen alles verkauft und es ist jetzt, naja….
A: Jetzt wirst du also nicht mehr getragen?
J: Nein, nö.
A: Welche Begründung hat das Quasimodo gehabt?
J: Wegen Brandschutz. Aber das ist nicht nur bei Konzerten so reglementiert. Früher bin ich viel geflogen mit dem Flugzeug, da mussten die Rollstuhlbehinderten immer am Fenster sitzen, damit die anderen schneller raus kommen, weil wir ja langsamer sind.
A: Ist natürlich Stress, wenn man als letztes drankommt, geduldig abwarten muss und on Top darauf angewiesen ist, dass einen jemand mitnimmt und nicht vergisst.
Anmerkung der Redakteurin: Komisch eigentlich, dass es dort für Nichtbehinderte keine Regelung gibt, die besagt: Hier darf wegen Brandschutz nicht so viel Alkohol getrunken werden, bis die Leute des korrekten Laufens (und / oder Wahrnehmens, Denkens, Artikulierens etc.) nicht mehr mächtig sind. Belehrung am Einlass auf Schildern. – Achtung, Scherz! Aber vielleicht mit einem mini Fünkchen Wahrheit? Vielleicht ist es im Quasimodo ja tatsächlich nicht erlaubt, zu viel zu saufen, wegen Brandschutz? Vielleicht weiß da jemand was? >> Wer was weiß und Gedanken dazu hat: Kommentare, bitte, danke. 😀
Wie auch immer, du bist heute hier zum Ska-Konzert von The Selecter mit Doku-Film über Pauline Black.
J: Ich hör viel Ska, ist mit meine Lieblingsmusik.
A: Du kennst auch Wiete, die Drummerin von Banana of Death, hast du mir eben erzählt. Sie nutzt auch einen Rollstuhl und wir hatten sie auch schon bei MusInclusion im Podcast für Punkrockers Radio.
J: Wiete habe ich durch Zufall mal kennengelernt bei einem Konzert. Aber ich weiß nicht mehr, wann genau das war. Es war aber auch durch Musik. Punkrock! Finde ich übrigens auch gut. Ach, da kommt auch schon mein Bus.
A: Vielen Dank für das Interview, Jürgen, wir hatten ne gute Zeit.
J: Ja, ich danke dir auch.
Hier noch ein etwas unscharfes, hastiges Selfie zum Abschluss von der Bordsteinkante am SO36 mit Jürgen und mir. Ich freue mich jedenfalls schon auf ein Wiedersehen und bin gespannt, wie Jürgen das The Selecter Konzert am 11.09.25 im SO36 gefallen wird und welches Feedback die Barrierefreiheit dann von ihm kommt. Ich werde berichten.