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Neil Young & The Chrome Hearts – Love Earth Tour am 08.07.2025

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Was ist der Unterschied zwischen 70€ und 370€? Na klar, wer das nicht hinbekommt, muss nachsitzen! Laut Adam Riese und so sind es jedenfalls so ziemlich genau 300€. Viel Asche, finde ich. Vor allem, wenn es um Konzerttickets geht. Am Dienstag, den 08.07.2025 auf dem Cannstatter Wasen in Stuttgart ist die Rechnung aber etwas schwieriger. Vorband fällt spontan aus, Neil Young & The Chrome Hearts sind aber da. Und ja, es gab offensichtlich tatsächlich Menschen, die 370 Tacken für ’nen klapprigen Plastikstuhl bezahlt haben, um dem rund zweieinhalbstündigen Spektakel ganz nah beiwohnen zu können. Na ja, vermutlich alles keine Bürgergeldbezieher*Innen – und dennoch dürfte der/die eine oder andere sich doch dezent bis mächtig geärgert haben.

Unsereins hatte die billigste Ticketvariante gewählt und hat somit zu den lachenden Dritten gehört. Zunächst einmal: bei (nur) rund 8000 Besucher*Innen gibt’s in einem solchen Venue nicht wirklich schlechte Plätze. Und dann auch noch das: mein guter alter Kumpel Panne und ich schlendern da so rein und von Klassengesellschaft weit und breit keine Spur. Stattdessen schaffen wir es ungehindert bis direkt an den Wellenbrecher. Kann das wirklich so einfach sein? Nein, natürlich nicht. Nicht nur, dass die Wucherticketbesitzer*Innen in der ersten Reihe uns schon böse und genervt anfunkeln, stehen wir ihnen doch so ein klein wenig im 370-Tacken-Blickfeld. Nein. Irgendwann kommt dann auch eine gut gelaunte und freundliche Securitydame und bittet uns, die für den Pöbel bestimmten Stehplätze einzunehmen, da der Herr Young das Konzert sonst nicht beginnen könne. Gut. Das wollen wir natürlich auf keinen Fall verantworten müssen.

Und so suchen wir uns dann passable Stehplätze, bis so ca. 45 Minuten nach Konzertbeginn ein wildes Raunen durch die Meute geht. Alles und alle nach vorne. Die Security hat Feierabend oder was weiß ich, was da die Ansage war?! Jedenfalls dürfen jetzt alle vor, Fluchtwege scheinen plötzlich keine mehr zu sein und wir finden uns quasi auf Augenhöhe mit den reichen Neil Young-Fans wieder. Halt ohne Klappstuhl, aber Sitzkonzerte waren ja eh schon immer doof!

Coole Sache also, die Orga hier. Zumindest für den Pöbel. Warum die Sitzplatzbesitzer*Innen ursprünglich bereit waren, astronomisch hohe Summen für ihren Stuhl zu investieren, um dann zwei Drittel des Konzertes doch zu stehen? Tja, das können die Betroffenen wohl nur selbst beantworten. Jedenfalls spricht das doch für ein außerordentlich gelungenes Konzert, wenn es faktisch niemanden mehr auf den Stühlen hält.

Und ja, das war es in der Tat! kaum zu glauben, dass der Herr Young dieses Jahr noch 80 wird. Stimmkräftig und in bester Bandleadermanier treibt er sich selbst und seine im Durchschnitt maximal halb so alte Begleitband, die Chrome Hearts, zu Höchstleistungen an. Einziges Indiz für eine alters- und kondensatbedingt nicht mehr ganz so gute Lungenfunktion könnte der vergleichsweise eher spärliche Einsatz seiner Mundharmonika sein. Ansonsten aber alles bestens. Unverkennbar sein Gitarrensound und -stil, was dem Mischer offensichtlich schon auch wichtig ist, hervorzuheben. Das ist aber auch das einzige und jammern auf mächtig hohem Niveau, was ich dem Sound negativ ankreiden kann. Neil Youngs Gitarre ist einen Ticken zu laut. Ist halt aber auch schwierig bei einem Open Air und alles in allem gibt’s eigentlich nichts zu mäkeln. Sowieso nicht für den Sparpreis für die besten Plätze, haha!

Ach ja, Open Air im Juli. Eigentlich ne sichere Sache. Sah mittags aber kurz ganz anders aus, als die Sintflut kam. Pünktlich zum Start in den Abend kommt aber die Sonne raus und so manch eine*r auf dem Konzertgelände spricht von Karma und so. Er zieht halt doch nach wie vor viele Hippies an, der Herr Young. Vielleicht, nein mit Sicherheit, auch ein Grund für die absolut angenehme und relaxte Atmosphäre. Da frag ich mich, warum es denn zusätzlich zu den genau so relaxten Security-Leuten noch die drei Bullen gebraucht hat, ist doch das an jeder Ecke zu riechende Marihuana mittlerweile eh legal. Na ja, haben wohl auch nichts zu tun gehabt und es sei ihnen gegönnt. Glück gehabt bei der Dienstplanerstellung!

Was mich tatsächlich aber positiv überrascht hat, war die unerwartet hohe Anzahl an doch noch sehr jungen Menschen. So kamen wir mit einer 18jährigen ins Gespräch, die mit ihrem Herrn Papa aus Köln angereist kam. Dieser dann zu unserem Vorteil noch recht spendabel on top, versorgte uns entgegen unseren kläglichen Ablehnungsversuchen vorzüglich mit Plastikbecherbier. Oder auch der Olli, ein auch noch recht junger Mensch, der mir für zwei Kippen ein Bier ausgegeben hat. Rauchen ist teuer und er war dennoch kein 370€-Ticket-Mann, was man nun vielleicht vermuten könnte. Nee nee, der Gute saß ganz hinten, aber noch vor dem ebenfalls anwesenden Cem Özdemir, hat seinen Plastikplatz aber schon frühzeitig gegen einen Deluxe-Stehplatz weit, weeeiiiiit vorne eingetauscht. Ihr seht schon: es war herrlich!

Ja und das Konzert selbst so? Wie gesagt: der alte Mann hat’s nochmal allen gezeigt. Ich war wirklich beeindruckt. Die Spritzigkeit und Jugend der Chrome Hearts hat das ganze wunderbar untermauert. Hits? Zuhauf, aber lange nicht alle! „Cowgirl In The Sand“, „Cinnamon Girl“, „The Needle And The Damage Done“, „Like A Hurricane“ und als Zugabe meinen All Time Young-Fave „Rockin‘ In The Free World“. 16 Songs, teilweise in ellenlangen, aber keinesfalls langweiligen Improvisationsversionen. Auch cool, die paar Extragimmicks, wie die Orgel, die auf Engelsflügeln, tatsächlich aber an Ketten von der Traverse baumelnd nach unten schwebte und die überdimensional aufgebockte Mundharmonika, mit einem beweglichen Megaphon ausgestattet und an irgendwas mit Seefahrt oder so erinnernd. Tendenziell hatte seine abgeramschte Paula mehr Einsätze als die Akkuklampfe. Find‘ ich aber auch besser so. Alle anderen Menschen glaub‘ ich auch. Stimmung, Musik, Feeling, Gänsehaut: alles bestens. Chapeau, Mr. Young und kommen Sie bitte ganz bald wieder!

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