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Strukturwandel – Lausitz: Skeptischer Optimismus nach Reiches Gas-Zusagen
Ministerpräsident Woidke (SPD), Bundeswirtschaftfsministerin Reiche (CDU) und Leag-Chef Roesch in Schwarze Pumpe
Foto: dpa/Frank Hammerschmidt
Wird die Lausitz vergessen? Das befürchten viele Bewohner des Braunkohlereviers im Süden Brandenburgs und Norden Sachsens angesichts der Pläne der Bundesregierung zum Ausbau von Gaskraftwerken. Gaskraftwerke, die 20 Gigawatt Leistung produzieren, sollen als Brückentechnologie bundesweit gebaut werden – so sieht es der Koalitionsvertrag von CDU und SPD auf Bundesebene vor. So sollen Stromengpässe während der Energiewende zu erneuerbaren Energien vermieden werden.
Aber wo? Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) kündigte im Juni an, dass zwei Drittel der geplanten neuen Kapazitäten im Süden der Bundesrepublik entstehen sollen. Denn dort seien zahlreiche energieintensive Industriezentren verortet, argumentierte sie. Zudem könne so die Problematik entschärft werden, dass es aktuell zwar zahlreiche Windkraftanlagen in den nördlichen Bundesländern gebe, aber zu wenig Stromnetzinfrastruktur, um den dort erzeugten Strom in den Süden zu leiten. Um das Vorhaben zu beschleunigen, sollte es nach Reiches Plänen Subventionen für Energieunternehmen im Süden geben. »Wir planen einen Südbonus«, sagte Reiche damals.
In der Lausitz sorgte das für Irritationen. Denn die Region liefert seit Jahren für ganz Deutschland Energie – in Form von Braunkohle. Doch damit ist absehbar bald Schluss: Bis 2038 will Deutschland aus der Kohleverstromung aussteigen. Bereits bis 2030 sollen nach Angaben der Leag, des regionalen Energieversorgers mit Sitz in Cottbus, 3000 Megawatt Leistung im Revier stillgelegt werden, bis 2038 dann weitere 4000 Megawatt. Die Angst ist daher groß, die Lausitz könnte am Ende abgehängt werden.
Die Angst übersetzte sich schnell in Protest. An einer von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) organisierten Kundgebung in einem Fußballstadion beteiligten sich 1500 Kohlekumpel. »Für uns bedeutet das ein Verbauen der Zukunftschancen«, sagte dort Uwe Teubner, Vorsitzender des Leag-Betriebsrats. Auch die Landesregierung schloss sich an: Der »Südbonus« verzerre »den Wettbewerb zu Lasten kosteneffizienter ostdeutscher Standorte« und könne »hohe Energiekosten für alle Verbraucher« bedeuten, hieß es in einer im Juli veröffentlichten Stellungnahme.
Am Montag versuchte Bundesministerin Reiche bei einem Auftritt im Spremberger Ortsteil Schwarze Pumpe die Wogen zu glätten: »Gaskraftwerke in der Lausitz werden gebraucht und sie werden auch gebaut.« Der Leag, die bereits Pläne für Gaskraftwerke am Standort von alten Braunkohlekraftwerken in der Schublade hält, könne sie »Planungssicherheit« garantieren. Die Ausschreibung für das Gaskraftwerk-Programm der Bundesregierung solle so gestaltet werden, dass die Leag profitieren werde, versprach Reiche. »Die Bundesregierung wird alles dafür tun, den Traditionsstandort zu erhalten.«
In der Region will man dem noch nicht ganz trauen. »Wir Lausitzer sind inzwischen vorsichtig mit Versprechungen«, sagt Reni Richter, Bezirksvorsitzende der IG BCE in der Lausitz. Schon Reiches Vorgänger im Bundeswirtschaftsministerium, Robert Habeck (Grüne), sei häufiger in der Lausitz gewesen, um abstrakte Zusagen zu machen. Auch von Reiche hätte sie sich konkretere Aussagen gewünscht. »Es ist immer noch nichts klar«, so Richter. Man freue sich aber über die prinzipiellen Zusagen.
Besondere Sorge bereitet ihr, dass die Ministerin sich zur Frage, an wie vielen Standorten in der Lausitz Gaskraftwerke entstehen sollen, bedeckt gehalten habe. Die Leag will an drei Standorten investieren. Ob die Bundesregierung aber alle drei Vorhaben fördern würde, ist noch unklar.
»Wir Lausitzer sind inzwischen vorsichtig mit Versprechungen.«
Reni Richter IG Bergbau, Chemie, Energie
Besonders für den Standort Jänschwalde wird es knapp. Das dortige Braunkohlekraftwerk soll 2028 vom Netz gehen. »Eigentlich ist man da jetzt schon zu spät dran«, sagt Richter. Dabei lägen die Pläne für ein Innovationskraftwerk schon bereit. Die Bundesregierung müsse hier im Interesse der Beschäftigten schnell für Klarheit sorgen. Man brauche feste Zusagen für alle drei Standorte, so Richter.
»Wir steigen freiwillig aus einem ertragreichen Geschäft aus«, sagt Richter. »Dann muss es auch einen Ersatz geben.« In der Lausitz gebe es eine vorhandene Infrastruktur an Stromtrassen und die nötige Kompetenz, um Gaskraftwerke zu betreiben. »Wir sind eine Energieregion«, so Richter. Die Bundesregierung müsse dafür sorgen, dass das auch so bleibt.
Auch Lars Katzmarek, Sprecher für die Lausitz in der SPD-Landtagsfraktion, hält das Braunkohlerevier für einen idealen Standort für die neuen Gaskraftwerke. »In der Region gibt es viel Großindustrie«, sagt er, etwa das Stahlwerk in Eisenhüttenstadt, der Chemiepark in Schwarzheide oder der Industriepark Schwarze Pumpe. Zudem versorge die Lausitz die nahe gelegenen Großstädte Berlin und Dresden mit Strom. Künftig könnten noch Großrechenzentren hinzukommen, die ebenfalls nach Strom ächzten. Mit Gaskraftwerken im Revier könne dieser günstig bereitgestellt werden.
Langfristig sollen die Gaskraftwerke auf den klimafreundlicheren Wasserstoff umgerüstet werden. Bundesministerin Reiche machte am Montag allerdings keine konkreten Aussagen dazu, wie und wann das geschehen soll. »Der Umbau ist relativ einfach möglich«, glaubt Lars Katzmarek. Die Kraftwerkstypen ähnelten sich, es müssten nur Turbinen, Brennkammern und dazugehörige Systeme ausgetauscht werden. Er hält es für unseriös, schon jetzt fixe Daten dafür zu nennen, wann eine Transformation möglich wäre. »Aktuell steht nicht genügend Wasserstoff zur Verfügung«, sagt er. Es gebe zu wenige Elektrolyseure, um die für eine konstante Stromerzeugung notwendige Menge an Wasserstoff herzustellen.
Für Katzmarek ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis sich das ändern wird. Die Gaskraftwerke könnten dann schnell umgerüstet werden. Auch das könnten die Leag und das Land Brandenburg aber nicht alleine stemmen. »Die Bundesregierung muss die Transformation hin zu Wasserstoff finanziell unterstützen«, sagt er.