Entertainment
The Roxies – Keep You Up At Night
Da sitzen wir so am sonntäglichen Frühstückstisch und hören „Keep You Up At Night“ von The Roxies. Und so viel mal vorweg: wären wir nicht im beschaulichen Esslingen und die Roxies nicht aus dem molochigen Berlin, so wären wir alle gemeinsam auf der Insel. Schon vor ein paar Jahrzehnten und Joy Division, Billy Idol samt seiner Generation X und auch The Clash würden sich gleichermaßen um uns herum tummeln.
Doch zurück nach 2025 und an den schwäbischen Frühstückstisch. Ich so zu meiner Frau: „Das haut mich jetzt nicht so vom Hocker.“ Und sie so: „Warum? Hier zum Sonntagsfrühstück finde ich das genau das Richtige.“ Ich nehme ihre Wahrnehmung zur Kenntnis und höre etwas genauer hin. Ein paar Momente später weiß ich, was sie meint.
The Roxies unterhalten uns auf eine angenehme Art und Weise, ohne sich allzu sehr aufzudrängen – und liefern mit „Keep You Up At Night“ genau deshalb den richtigen Soundtrack für gewisse Momente. Für’s Frühstück, zum Beispiel. Und als ich dann noch genauer hinhöre, stelle ich auch fest, dass sie ihre Sache, genau DIE Sache, auch richtig gut machen.
„Midnight Swim“ zum Beispiel. Ein waviger Touch trifft auf dieses gewisse aggressive Momentum, welches die frühen UK-Punkbands auf die Bretter transportierten. Genau da kann ich mir The Roxies auch richtig gut vorstellen und wünsche mir, dass sie es auch mal für ein Konzert in unsere Gefilde schaffen werden.
Ihre Musik auf Konserve haben zu dürfen, was ich übrigens dem hierzulande veröffentlichenden Label Flight13 Records aus Freiburg zu verdanken habe, geht inzwischen aber auch so richtig gut in Ordnung für mich. Mit dem aggressiven Momentum meinte ich übrigens nicht die rohe physische Gewalt, auch wenn entsprechende Shows anno dazumal in genau dieser gemündet sein mögen. Ich meine damit viel mehr die Kunst von z.B. The Clash, ihre wütenden Emotionen und ihr ganz persönliches Gefühl von Desillusion in ihre, an sich gar nicht so aggressive, Musik verpackt zu haben – womit sie die Leute in ihren Bann ziehen konnten.
Nun mögen sich die individuellen Gründe in den vergangenen rund 45 Jahren zwar verändert haben. Das Maul aufzumachen lohnt sich aber auch 2025 nach wie vor. Aktuell vielleicht sogar noch mehr als damals. The Roxies machen dies richtig gut, diese, nennen wir es mal „Tradition aus ’77“, Unmut in doch geradezu angenehme Punkmusik umzuwandeln.
„There’s something evil. There’s something under it all. There’s something in the air. Controlling it all.“ („Lost Control“). Auch wenn der eigentliche Kontext des Openers sehr persönlicher Natur ist, so spiegeln diese Textzeilen doch auch so simpel, wie genial ein Bild wider, das man von der aktuellen weltpolitischen Lage zwischen AfD, Putin, Trump, Orban, Meloni, undundund bis meinetwegen hin zu diesem Fiesling da hinten in Nordkorea mit seinem Nasebohrfingerchen latent am roten Knöpfchen, haben kann. Überhaupt gefallen mir die Lyrics der Roxies, die allesamt auf der hübsch bedruckten Innenhülle zu finden sind, sehr gut, da sie eine sehr intime Note mit allgemeingültig fähigem Konsens zu verbinden wissen. Auch hier sehe ich eine Verwandtschaft zum genialen Joe Strummer.
Doch kommen wir nochmal zurück zur Musik der Roxies. „Feeling“ läuft und überrascht mit einem stumpfen Eagles Of Death Metal-Riff, der im Refrain wieder nach ’77 einbiegt. „Estranged“ ist wunderbar melancholisch-melodisch und das darauf folgende „Sometimes“ wohl die Ballade des Albums. Nahtlos geht’s über zu „Bartender“ und damit zu The Gossip. The Roxies sind also doch weitaus vielseitiger, als zunächst angenommen. Am Ende der zwölf Songs bin ich nicht nur versöhnt, sondern geradezu begeistert.
The Roxies veröffentlichten am 7. März in einer Koop von Flight13 Records und Dirt Cult Records (US) mit „Keep You Up At Night“ eine Platte, deren Stärke darin liegt, dass sie sich entfaltet, sich selber aufbaut und bestärkt, ehe sie beinahe droht, vor schierer Energie zu explodieren. Sehr gelungener Spannungsbogen, sehr gelungene Platte, auf schwarzem und limitiert auch auf weißem Vinyl.